Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
einen Anfang hat – und möglicherweise auch ein Ende.
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Das expandierende Universum
B LICKT MAN IN EINER KLAREN, mondlosen Nacht zum Himmel auf, so sind wahrscheinlich die hellsten Objekte, die man wahrnimmt, die Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Außerdem wird eine große Zahl von Sternen zu sehen sein, die unserer Sonne gleichen, aber sehr viel weiter entfernt sind. Einige dieser Sterne scheinen indessen während des Umlaufs der Erde um die Sonne ihre Stellung zueinander geringfügig zu verändern: sie sind also keineswegs fixiert! Das liegt daran, daß sie uns vergleichsweise nahe sind. Während die Erde die Sonne umkreist, sehen wir sie aus verschiedenen Positionen gegen den Hintergrund fernerer Sterne. Dies ist ein günstiger Umstand, denn er ermöglicht es uns, unseren Abstand von diesen Sternen direkt zu messen: Je näher sie sind, desto mehr scheinen sie sich zu bewegen. Es stellte sich heraus, daß die Entfernung zum nächsten Stern, Proxima Centauri, ungefähr 23 Millionen Millionen (= 23 Billionen) Meilen oder vier Lichtjahre beträgt (das Licht braucht ungefähr vier Jahre, um von dort zur Erde zu gelangen). Die meisten anderen Sterne, die mit bloßem Auge zu erkennen sind, befinden sich nicht weiter als ein paar hundert Lichtjahre entfernt. Zum Vergleich: Der Abstand zu unserer Sonne beträgt nur acht Lichtminuten! Die sichtbaren Sterne scheinen über den ganzen Nachthimmel ausgebreitet zu sein, konzentrieren sich aber vor allem in einem Streifen, den wir Milchstraße nennen. Schon 1750 vertraten einige Astronomen die Auffassung, das Erscheinungsbild der Milchstraße sei erklärbar, wenn man von einer scheibenförmigen Anordnung der meisten sichtbaren Sterne ausgehe – ein Beispiel für das, was wir heute Spiralgalaxie nennen. Nur ein paar Jahrzehnte später stellte der Astronom Sir William Herschel diese Hypothese auf eine solide Basis, indem er in mühseliger Arbeit die Positionen und Entfernungen einer ungeheuren Zahl von Sternen katalogisierte. Dennoch wurde diese Vorstellung erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts endgültig anerkannt.
Unser heutiges Bild vom Universum nahm erst 1924 Konturen an, als der amerikanische Astronom Edwin Hubble zeigte, daß es neben unserer Galaxis noch viele andere gibt, zwischen denen weite Strecken leeren Raums liegen. Um dies zu beweisen, mußte er die Distanzen zu den anderen Galaxien bestimmen, die so weit entfernt sind, daß sie, anders als nahe gelegene Sterne, tatsächlich «fixiert» erscheinen. Deshalb war Hubble gezwungen, die Entfernungen indirekt zu messen. Die scheinbare Helligkeit eines Sterns hängt von zwei Faktoren ab: wieviel Licht er ausstrahlt (seiner Leuchtkraft) und wie weit er von uns entfernt ist. Die scheinbare Helligkeit und Entfernung naher Sterne können wir messen, und aufgrund unserer Ergebnisse errechnen wir ihre Leuchtkraft. Wenn wir umgekehrt die Leuchtkraft der Sterne in anderen Galaxien kennen würden, könnten wir durch Messung ihrer scheinbaren Helligkeit ihre Entfernung ermitteln. Hubble stellte fest, daß bestimmte Sternarten alle die gleiche Leuchtkraft besitzen, sofern sie nahe genug sind, um überhaupt Messungen zuzulassen. Wenn wir also solche Sterne in einer anderen Galaxie entdecken, können wir bei ihnen die gleiche Leuchtkraft voraussetzen und von ihr ausgehend die Entfernung der Galaxie errechnen. Wenn dies bei mehreren Sternen in der Galaxie möglich ist und unsere Berechnungen immer die gleiche Entfernung ergeben, kann unsere Schätzung als recht verläßlich gelten.
Auf diese Weise ermittelte Hubble die Entfernung von neun verschiedenen Galaxien. Wir wissen heute, daß unsere Galaxis nur eine von einigen hundert Milliarden ist, die man mit Hilfe moderner Teleskope erkennen kann, und jede dieser Galaxien umfaßt einige hundert Milliarden Sterne. Abbildung 10 zeigt einen Spiralnebel, der etwa dem Anblick entsprechen dürfte, den unsere Milchstraße dem Bewohner einer anderen Galaxie böte. Unsere Galaxien hat einen Durchmesser von ungefähr hunderttausend Lichtjahren und dreht sich langsam um sich selbst; die Sterne in ihren Spiralarmen benötigen für eine Umkreisung des Mittelpunkts ungefähr hundert Millionen Jahre. Unsere Sonne ist ein ganz gewöhnlicher gelber Stern durchschnittlicher Größe am inneren Rand einer der Spiralarme. Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt seit den Zeiten des Aristoteles und Ptolemäus, als wir die Erde noch für den Mittelpunkt des Universums
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