Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
befinden sich dann lediglich in verschiedenen Zuständen. Bei hohen Energien dagegen verhalten sie sich gleich. Der Effekt ähnelt dem Verhalten einer Kugel auf einer Roulettescheibe. Bei hoher Energie (rascher Drehung der Scheibe) zeigt die Kugel immer nur ein Verhalten – sie rollt im Kreis. Doch wenn die Scheibe langsamer wird, nimmt die Energie der Kugel ab, bis sie schließlich in eine der 37 Fächer der Scheibe fällt. Mit anderen Worten: Bei niedriger Energie kann die Kugel in 37 verschiedenen Zuständen vorkommen. Wenn wir die Kugel aus irgendeinem Grund nur bei geringer Energie beobachten könnten, wären wir überzeugt, es gäbe 37 verschiedene Kugelarten!
Nach der Weinberg-Salam-Theorie würden sich die drei neuen Teilchen und das Photon bei erheblich höherer Energie als 100 GeV alle gleich verhalten. Doch bei den geringeren Teilchenenergien, die in normalen Situationen vorliegen, kommt es zum Bruch dieser Symmetrie zwischen den Teilchen. W + , W - und Z 0 erhalten große Massen, so daß die Kräfte, deren Träger sie sind, nur noch über sehr kurze Distanzen wirken. Als Salam und Weinberg ihre Theorie vorschlugen, fanden sie nur bei wenigen Kollegen Zustimmung, und die Teilchenbeschleuniger waren nicht leistungsfähig genug, um die Energie von 100 GeV zu produzieren, die zur Entstehung realer W + -, W - - oder Z 0 -Teilchen erforderlich wäre. Doch zeigten im Laufe der nächsten zehn Jahre die anderen Vorhersagen für niedrigere Energiezustände ein so hohes Maß an Übereinstimmung mit den Experimenten, daß Salam und Weinberg 1979 den Nobelpreis für Physik erhielten – zusammen mit Sheldon Glashow, ebenfalls von der Harvard University, der ähnliche vereinheitlichte Theorien der elektromagnetischen und der schwachen Kraft entwickelt hatte. Dem Nobelpreiskomitee blieb die Blamage eines Irrtums erspart, denn 1983 wurden am Europäischen Kernforschungszentrum CERN die drei mit Masse ausgestatteten Partner des Photons entdeckt, wobei sich ergab, daß ihre Massen und anderen Eigenschaften zutreffend vorausgesagt worden waren. Carlo Rubbia, der Leiter des Teams von einigen hundert Physikern, das die Entdeckung machte, erhielt 1984 den Nobelpreis, zusammen mit dem CERN-Ingenieur Simon van der Meer, der das verwendete Antimaterie-Speichersystem entwickelt hat. (Es ist heute sehr schwer, sich in der Experimentalphysik hervorzutun, wenn man nicht bereits an der Spitze steht!)
Die vierte Kategorie schließlich ist die starke Kernkraft, welche die Quarks im Proton und Neutron sowie die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält. Man nimmt an, daß auch diese Kraft von einem Teilchen mit Spin 1 getragen wird, dem Gluon, das nur mit sich selbst und den Quarks wechselwirkt. Die starke Kernkraft hat eine merkwürdige Eigenschaft namens «Confinement» (Beschränkung): Immer bindet sie Teilchen in Kombinationen zusammen, die keine «Farbe» haben. Es kann kein freies einzelnes Quark geben, weil es eine Farbe hätte (Rot, Grün oder Blau). Ein rotes Quark muß deshalb mit einem grünen und einem blauen Quark durch ein «String», ein «Band» von Gluonen, verbunden werden (Rot + Grün + Blau = Weiß). Solch ein Triplett bildet ein Proton oder Neutron. Eine andere Möglichkeit ist ein Paar, das aus einem Quark und einem Antiquark besteht (Rot + Antirot oder Grün + Antigrün oder Blau + Antiblau = Weiß). Aus solchen Kombinationen bestehen die Teilchen, die wir als Mesonen bezeichnen. Sie sind instabil, weil Quark und Antiquark sich unter Hervorbringung von Elektronen und anderen Teilchen gegenseitig annihilieren können. Entsprechend verhindert das Confinement, daß ein freies einzelnes Gluon vorkommen kann, denn auch Gluonen haben eine Farbe. Statt dessen ist eine Ansammlung von Gluonen erforderlich, deren Farben sich zu Weiß addieren. Sie bildet ein instabiles Teilchen, einen sogenannten Glueball.
Die Tatsache, daß wir infolge des Confinement nicht in der Lage sind, ein isoliertes Quark oder Gluon zu beobachten, läßt die gesamte Vorstellung von Quarks und Gluonen etwas metaphysisch erscheinen. Doch es gibt noch eine weitere Eigenschaft der starken Kernkraft, die asymptotische Freiheit, durch die die Quarks und Gluonen zu wohldefinierten Begriffen werden. Bei normaler Energie ist die starke Kraft in der Tat stark und bindet die Quarks fest zusammen. Experimente mit großen Teilchenbeschleuniger deuten jedoch darauf hin, daß sie bei hohen Energien erheblich schwächer wird und daß sich die Quarks
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