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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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einsetzen, am Ende herausstellt, daß sie wiederum aus kleineren Teilchen aufgebaut sind? Das ist natürlich möglich, aber es sprechen einige theoretische Gründe für die Annahme, daß wir die kleinsten Bausteine der Natur erkannt haben oder dieser Erkenntnis doch zumindest sehr nahe sind.
    Wenn wir die im vorigen Kapitel erörterte Welle-Teilchen-Dualität zugrunde legen, so läßt sich alles im Universum, auch das Licht und die Schwerkraft, in Form von Teilchen beschreiben. Diese Teilchen haben eine Eigenschaft, die Spin genannt wird. Man kann bei diesem Wort an Teilchen denken, die sich wie kleine Kreisel um eine Achse drehen: Diese Drehung ist der Spin. Allerdings kann diese Vorstellung auch irreführend sein, weil der Quantenmechanik zufolge Teilchen keine genau definierte Achse haben. Tatsächlich teilt uns der Spin eines Teilchens mit, wie es aus verschiedenen Blickwinkeln aussieht. Ein Teilchen mit dem Spin 0 ist ein Punkt: Es sieht aus allen Richtungen gleich aus (Abb. 16–A). Ein Teilchen mit dem Spin 1 ist dagegen wie ein Pfeil: Es sieht aus verschiedenen Richtungen verschieden aus (Abb. 16–B). Nur bei einer vollständigen Umdrehung (360 Grad) sieht das Teilchen wieder gleich aus. Ein Teilchen mit dem Spin 2 ist wie ein Pfeil mit einer Spitze an jedem Ende (Abb. 16–C). Es sieht nach einer halben Umdrehung (180 Grad) wieder gleich aus. Entsprechend sehen Teilchen mit höherem Spin wieder gleich aus, wenn man Drehungen um kleinere Bruchteile einer vollständigen Umdrehung vollzieht. All das wäre ziemlich einfach, wäre da nicht der bemerkenswerte Umstand, daß es Teilchen gibt, die nach einer Umdrehung noch nicht wieder gleich aussehen: Es sind dazu vielmehr zwei vollständige Umdrehungen erforderlich! Der Spin solcher Teilchen wird mit 1/2 angegeben.
    Alle bekannten Teilchen im Universum lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Teilchen mit einem Spin 1/2, aus denen die Materie im Universum besteht, und Teilchen mit dem Spin 0, 1 und 2, die, wie wir sehen werden, für die Kräfte zwischen den Materieteilchen verantwortlich sind. Die Materieteilchen gehorchen dem sogenannten Paulischen Ausschließungsprinzip, das 1925 von dem österreichischen Physiker Wolfgang Pauli entdeckt wurde – 1945 erhielt er dafür den Nobelpreis. Pauli war das Musterexemplar eines theoretischen Physikers: Böse Zungen behaupteten, er brauche sich nur in einer Stadt aufzuhalten, und schon gingen alle dort durchgeführten Experimente schief! Nach dem Paulischen Ausschließungsprinzip können sich zwei gleiche Teilchen nicht im gleichen Zustand befinden, das heißt, sie können innerhalb der Grenzen, die die Unschärferelation steckt, nicht den gleichen Ort und die gleiche Geschwindigkeit haben. Das Ausschließungsprinzip ist von entscheidender Bedeutung, weil es erklärt, warum Materieteilchen unter dem Einfluß der Kräfte, die von den Teilchen mit dem Spin 0, 1 und 2 hervorgerufen werden, nicht zu einem Zustand von sehr hoher Dichte kollabieren. Wenn die Materieteilchen weitgehend gleiche Positionen haben, müssen sie sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen, das heißt, sie werden nicht lange in der gleichen Position bleiben. Wäre die Welt ohne Ausschließungsprinzip entstanden, würden Quarks keine separaten, abgegrenzten Protonen und Neutronen und diese wiederum zusammen mit Elektronen keine separaten, abgegrenzten Atome bilden. Alle Teilchen würden zu einer mehr oder minder gleichförmigen, dichten «Suppe» zusammenstürzen.

    Abb. 16: Elementarteilchen besitzen eine Eigenschaft, die man als Spin bezeichnet. Ein Spin-0-Teilchen sieht aus allen Richtungen gleich aus (A). Ein Spin-1-Teilchen sieht erst nach einer vollständigen Umdrehung (360 Grad) gleich aus (B), ein Spin-2-Teilchen schon nach 180 Grad (C). Dagegen müssen Spin-1/2-Teilchen zwei vollständige Umdrehungen absolvieren, bevor sie wieder gleich aussehen.
    Zu einem eigentlichen Verständnis des Elektrons und anderer Teilchen mit dem Spin 1/2 kam es erst 1928 dank einer Theorie von Paul Dirac, den man später auf den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik in Cambridge berief (eine Position, die einst Newton innehatte und die 1979 auch mir zugesprochen wurde). Diracs Theorie war die erste, die sowohl mit der Quantenmechanik als auch mit der Speziellen Relativitätstheorie übereinstimmte. Sie erklärt mathematisch, warum das Elektron einen Spin von 1/2 hat, das heißt, warum es nicht schon nach einer vollständigen Umdrehung, sondern erst nach

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