Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Entwicklung so komplizierter reproduktionsfähiger Geschöpfe eigneten, wie wir es sind – fähig zu der Frage: Warum ist das Universum so gleichmäßig? Dies ist ein Beispiel für die Anwendung dessen, was als anthropisches Prinzip bezeichnet wird und sich zusammenfassen läßt in dem Satz: «Wir sehen das Universum, wie es ist, weil wir existieren.»
Es gibt zwei Versionen des anthropischen Prinzips, eine schwache und eine starke. Nach dem schwachen anthropischen Prinzip werden in einem Universum, das groß oder unendlich im Raum und/oder in der Zeit ist, die für die Entwicklung intelligenten Lebens erforderlichen Bedingungen nur in bestimmten, räumlich und zeitlich begrenzten Regionen erfüllt sein. Es sollte die intelligenten Wesen, die diese Regionen bewohnen, deshalb nicht überraschen, wenn sie feststellten, daß ihr Gebiet im Universum den Bedingungen gerecht werde, die für ihre Existenz notwendig sind. Das ähnelt ein wenig der Situation eines reichen Menschen, der keine Armut sieht, weil er in einem wohlhabenden Viertel wohnt.
Ein Beispiel für die Anwendung des schwachen anthropischen Prinzips ist die Art und Weise, wie man «erklärt», daß der Urknall vor ungefähr zehn Milliarden Jahren stattfand: Es dauert eben so lange, bis sich intelligente Wesen entwickeln. Wie oben geschildert, mußte sich zunächst eine erste Sternengeneration bilden. Diese Sterne verwandelten einen Teil des ursprünglichen Wasserstoffs und Heliums in Elemente wie Kohlen- und Sauerstoff, aus denen wir bestehen. Die Sterne explodierten als Supernovae, und aus ihren Überresten entstanden andere Sterne und Planeten, unter ihnen auch unser Sonnensystem, das ungefähr fünf Milliarden Jahre alt ist. Die ersten ein oder zwei Milliarden Jahre im Leben der Erde waren zu heiß, als daß sich irgendwelche komplizierten Strukturen hätten entwickeln können. Die restlichen drei Milliarden Jahre benötigte der langsame Prozeß der biologischen Evolution, um von den einfachsten Organismen zu Geschöpfen zu gelangen, die fähig sind, die Zeit bis zurück zum Urknall zu messen.
Wohl kaum jemand hätte etwas gegen die Gültigkeit oder Nützlichkeit des schwachen anthropischen Prinzips einzuwenden. Einige gehen jedoch viel weiter und schlagen eine starke Version des Prinzips vor. Nach dieser Theorie gibt es entweder viele verschiedene Regionen des Universums oder viele verschiedene Universen, jedes mit einem eigenen Urzustand und vielleicht – mit seinem eigenen System von Naturgesetzen. In den meisten dieser Universen sind nach dieser Auffassung die Bedingungen nicht für die Entwicklung komplizierter Organismen geeignet. Nur in wenigen Universen wie dem unseren entwickeln sich intelligente Wesen und fragen sich: «Warum ist das Universum so, wie wir es sehen?» Unter diesen Umständen ist die Antwort einfach: Wäre es anders, wären wir nicht hier!
Die Naturgesetze enthalten nach heutigem Wissensstand einige grundlegende Zahlen, etwa die Größe der elektrischen Ladung des Elektrons und das Massenverhältnis von Proton und Elektron. Wir können den Wert dieser Zahlen – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – nicht aus der Theorie ableiten; wir müssen sie den Beobachtungsdaten entnehmen. Mag sein, daß wir eines Tages eine vollständige vereinheitlichte Theorie entdecken, die sie alle vorhersagt, aber es ist auch möglich, daß sich einige von ihnen oder alle von Universum zu Universum oder auch innerhalb eines Universums verändern. Bemerkenswert ist, daß die Werte dieser Zahlen sehr fein darauf abgestimmt zu sein scheinen, daß sie die Entwicklung des Lebens ermöglichen. Wäre beispielsweise die elektrische Ladung des Elektrons nur ein wenig von ihrem tatsächlichen Wert abgewichen, wären die Sterne entweder nicht in der Lage gewesen, Wasserstoff und Helium zu verbrennen, oder sie wären nicht explodiert. Natürlich könnte es ganz fremde, noch nicht einmal von Science-fiction-Autoren ersonnene Formen intelligenten Lebens geben. Sie sind vielleicht nicht angewiesen auf das Licht eines Sterns wie der Sonne oder auf die schwereren chemischen Elemente, die in Sternen erzeugt und bei deren Explosion in den Weltraum geschleudert werden. Dennoch scheint es, als ließen die Zahlenwerte, die die Entwicklung intelligenten Lebens ermöglichen, wenig Spielraum. Die meisten Werte würden zur Entstehung von Universen führen, die zwar sehr schön sein, aber niemanden beherbergen könnten, der diese Schönheit bestaunte. Dies kann man
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