Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
entweder als Beweis für den göttlichen Ursprung der Schöpfung und der Naturgesetze werten oder als Beleg für das starke anthropische Prinzip.
Es gibt ein paar Einwände, die sich gegen das starke anthropische Prinzip als Erklärung des beobachteten Zustands des Universums vorbringen lassen, zum Beispiel den folgenden: In welchem Sinne läßt sich sagen, daß diese verschiedenen Universen vorhanden sind? Wenn sie wirklich getrennt voneinander existieren, dann kann das Geschehen in einem anderen Universum keine beobachtbaren Konsequenzen für unser eigenes haben. Deshalb sollten wir uns an das Ökonomieprinzip halten und sie aus der Theorie ausklammern. Wenn sie dagegen nur verschiedene Regionen ein und desselben Universums sind, müßten in jeder Region die gleichen Naturgesetze gelten, weil wir uns sonst nicht kontinuierlich von einer Region zur anderen bewegen könnten. In diesem Fall wäre der einzige Unterschied zwischen den Regionen ihr Anfangszustand, womit aus dem starken anthropischen Prinzip das schwache würde.
Ferner liegt das starke anthropische Prinzip – und das ist der zweite Einwand – quer zum Verlauf der gesamten Wissenschaftsgeschichte. Von den geozentrischen Kosmologien des Ptolemäus und seiner Vorläufer sind wir über die heliozentrische Kosmologie von Kopernikus und Galilei zum modernen Weltbild gelangt, in dem die Erde als mittelgroßer Planet eines durchschnittlichen Sterns in den Randzonen eines gewöhnlichen Spiralnebels erscheint, der seinerseits eine Galaxie unter etwa einer Billion anderen im beobachtbaren Universum ist. Dagegen würden allerdings die Vertreter des starken anthropischen Prinzips geltend machen, daß diese ganze gewaltige Konstruktion nur um unseretwillen existiert. Das ist sehr schwer zu glauben.
Sicherlich ist unser Sonnensystem eine Voraussetzung für unser Dasein, und man mag dies auf unsere ganze Galaxis ausweiten können, um jene frühere Sternengeneration einzubeziehen, die die schwereren Elemente hervorbrachte. Doch es scheint keine Notwendigkeit für all die anderen Galaxien zu geben noch für die Gleichförmigkeit und Ähnlichkeit, die sich großräumig in allen Richtungen abzeichnet.
Leichter könnte man sich mit dem anthropischen Prinzip anfreunden, zumindest mit seiner schwachen Spielart, wenn nachzuweisen wäre, daß sich aus einer ganzen Reihe verschiedener Anfangszustände ein Universum wie jenes hätte entwickeln können, das wir beobachten. In diesem Fall müßte ein Universum, das sich aus irgendwelchen zufälligen Anfangsbedingungen entwickelt hätte, Regionen enthalten, die einheitlich und gleichmäßig sind und sich für die Evolution intelligenten Lebens eignen. Wenn andererseits der Anfangszustand des Universums außerordentlich sorgfältig hätte gewählt werden müssen, um zu einem All zu führen, wie wir es um uns herum erblicken, so würde das Universum aller Wahrscheinlichkeit nach keine Region enthalten, die Leben hervorbringen könnte. In dem oben beschriebenen Modell des heißen Urknalls blieb der Wärme im frühen Universum nicht genügend Zeit, um von einer Region in die andere zu gelangen. Mit anderen Worten: Um erklären zu können, warum der Mikrowellenhintergrund in allen Richtungen, in die wir blicken, die gleiche Temperatur aufweist, müßte auch der Anfangszustand des Universums überall exakt die gleichen Temperaturen gehabt haben. Die anfängliche Ausdehnungsgeschwindigkeit hätte sehr genau ausgewählt werden müssen, um zu erreichen, daß die gegenwärtige Expansionsgeschwindigkeit noch immer so nahe der kritischen Geschwindigkeit liegt, die erforderlich ist, um einen Rückfall in den Kollaps zu vermeiden. Der Anfangszustand des Universums hätte also in der Tat eine sehr sorgfältige Wahl erfordert, wenn das Modell des heißen Urknalls eine zutreffende Beschreibung bis zurück zum Anbeginn der Zeit liefert. Warum das Universum gerade auf diese Weise angefangen haben sollte, wäre sehr schwer zu erklären, ohne das Eingreifen eines Gottes anzunehmen, der beabsichtigt hätte, Wesen wie uns zu erschaffen.
In dem Bemühen, ein Modell des Universums zu entwickeln, in dem sich viele verschiedene Anfangszustände zu einem Gebilde wie dem gegenwärtigen Universum hätten entwickeln können, hat Alan Guth vom Massachusetts Institute of Technology die Vermutung geäußert, das frühe Universum könnte eine Phase sehr rascher Aufblähung durchlaufen haben. Eine solche Aufblähung wird «inflationär» genannt, was heißen
Weitere Kostenlose Bücher