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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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vorhersagen, was sich aus der Singularität entwickelt. Wie oben dargestellt, kann man deshalb den Urknall und alle Ereignisse davor aus der Theorie ausklammern, weil sie sich auf das, was wir beobachten, nicht auswirken können. Unter diesen Umständen hätte die Raumzeit eine Grenze – einen Anfang mit dem Urknall.
    Nun scheint die Wissenschaft aber eine Reihe von Gesetzen entdeckt zu haben, die uns innerhalb der von der Unschärferelation gezogenen Grenzen mitteilen, wie sich das Universum entwickelt, wenn wir seinen Zustand zu irgendeinem Zeitpunkt kennen. Diese Gesetze mögen ursprünglich von Gott gefügt worden sein, doch anscheinend hat er ihnen seither die Entwicklung des Universums überlassen und sich selbst aller Eingriffe enthalten. Aber was für einen Zustand und was für eine Anordnung hat er ursprünglich für das Universum gewählt? Welche «Grenzbedingungen» lagen am Anfang der Zeit vor?
    Eine mögliche Antwort wäre, daß Gott den Anfangszustand des Universums aus Gründen gewählt hat, die zu begreifen wir nicht hoffen können. Das wäre einem allmächtigen Wesen natürlich möglich gewesen. Doch wenn er den Anfang auf eine für uns so unverständliche Weise gemacht hätte, warum hätte es ihm dann gefallen sollen, die weitere Entwicklung des Universums von Gesetzen regieren zu lassen, die wir verstehen können? Die ganze Geschichte der Wissenschaft ist von der allmählichen Erkenntnis geprägt, daß die Ereignisse nicht auf beliebige Weise ablaufen, sondern daß ihnen eine bestimmte Ordnung zugrunde liegt, die göttlichen Ursprungs sein mag oder auch nicht. Da ergibt sich ganz selbstverständlich der Schluß, daß diese Ordnung nicht nur für die Gesetze gilt, sondern auch für jene Grenze der Raumzeit, die den Anfangszustand des Universums markiert. Möglicherweise gibt es eine große Zahl von Modellen des Universums mit verschiedenen Anfangsbedingungen, die alle den Naturgesetzen gehorchen. Es muß irgendein Prinzip geben, anhand dessen sich ein Anfangszustand – und damit ein Modell – als angemessene Darstellung unseres Universums bestimmen läßt.
    Eine dieser Möglichkeiten trägt die Bezeichnung chaotische Grenzbedingungen. Diese setzen implizit voraus, daß das Universum entweder räumlich unbegrenzt ist oder daß es unendlich viele Universen gibt. Unter chaotischen Grenzbedingungen ist die Wahrscheinlichkeit, irgendeine bestimmte Region des Raums in irgendeiner gegebenen Anordnung anzutreffen, in gewissem Sinne genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, sie in irgendeiner anderen Anordnung vorzufinden: Der Anfangszustand des Universums bleibt dem reinen Zufall überlassen. Dies hieße, der frühe Weltraum wäre wahrscheinlich sehr chaotisch und unregelmäßig gewesen, weil für ihn viel mehr chaotische und ungeordnete Zustände denkbar sind als gleichmäßige und geordnete. (Wenn jede Anordnung gleich wahrscheinlich ist, so ist eher damit zu rechnen, daß das Universum in einem chaotischen und ungeordneten Zustand begonnen hat, einfach weil die Anzahl dieser Zustände soviel größer ist.) Es ist schwer vorstellbar, wie derartige chaotische Anfangsbedingungen ein Universum hervorgebracht haben sollen, das in großem Maßstab so einheitlich und regelmäßig ist wie das unsrige. Auch müßte man davon ausgehen, daß die Dichtefluktuationen zur Bildung einer viel größeren Zahl von urzeitlichen Schwarzen Löchern geführt hätten, als der obere Grenzwert vermuten läßt, der aufgrund der Beobachtung des Gammastrahlenhintergrunds festgelegt wurde.
    Wenn das Universum tatsächlich räumlich unbegrenzt ist oder es unendlich viele Universen gibt, so würden wahrscheinlich irgendwo einige große Regionen existieren, die wirklich gleichmäßig und einheitlich begonnen haben. Es verhält sich ähnlich wie in dem bekannten Beispiel der Affen, die auf Schreibmaschinen herumhämmern – was sie schreiben, wird größtenteils Unsinn sein, doch in ganz seltenen Fällen werden sie durch reinen Zufall ein Shakespearesches Sonett zusammentippen. Könnte es im Fall des Universums der Zufall nicht ebenso wollen, daß wir in einer dieser einheitlichen und gleichförmigen Regionen leben? Auf den ersten Blick mag dies sehr unwahrscheinlich erscheinen, weil solche gleichmäßigen Regionen gegenüber den chaotischen und unregelmäßigen ungleich seltener vorkommen. Doch nehmen wir an, es könnten sich nur in den gleichmäßigen Regionen Galaxien und Sterne bilden und Bedingungen finden, die sich für die

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