Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
meinte Sarotzki als Antwort großspurig zu den Umstehenden, doch die ignorierten diese Bemerkung und widmeten ihre Aufmerksamkeit stattdessen Simon und Huber, dem Besitzer des Nachbarhotels.
Huber nickte selbstgefällig und rief in die Runde: »Wenn es Ihnen beim Neumayer nicht gefällt, dann kommen Sie einfach zu mir rüber. Hier feiern wir mit allen Sherlock-Holmes-Fans die tollste Silvesterfeier aller Zeiten. Der kniffligste Fall, den Sie sich nur vorstellen können, wird hoffentlich gelöst. Denn wenn wir es nicht schaffen, treibt weiter ein schreckliches Monster sein Unwesen. Ich sage nur: Jack, the Ripper ist nichts dagegen.«
Ein abenteuerlustiges Raunen ging durch die Reihen der Gäste hinter Simon. Der konterte. »Wir haben ebenfalls den besten Fall aller Zeiten, den sich nicht einmal Agatha Christie besser hätte ausdenken können. Besser als alle Miss-Marple- und Hercule-Poirot-Fälle zusammen. Besser als der ›Mord im Orientexpress‹ oder die ›Tote aus der Themse‹.«
»›Die Tote aus der Themse‹ ist von Edgar Wallace«, tönte es aus der Gruppe der Gäste. Es war Mona Winter. Sie war in ihrer Jugend nicht nur Fechtweltmeisterin gewesen, sondern hatte alle Krimis gelesen, die es auf dieser Erde gab. Mehrere Male. Sie konnte jedes Buch auswendig herunterrattern und alle Mörder ohne mit der Wimper zu zucken aufzählen inklusive Lebensläufe und Motive ihrer Taten.
Simon nickte zustimmend. »Umso besser, dann haben wir sogar einen besseren Fall, als sich Agatha Christie und Edgar Wallace zusammen hätten ausdenken können. Mörderisch gut.«
Die Gäste hinter Simon jubelten.
Huber zwinkerte. »Und haben Sie auch einen Dr. Watson, der bei den Opfern sofort eine Autopsie durchführt?«
Simons Gäste sahen ihren Gastgeber erwartungsvoll an. Simon schluckte. Hatte Huber einen Pathologen angeheuert, der Leichen auseinandernahm? Oder einen Arzt, der den Todeskampf bildhaft beschreiben konnte? Oder bluffte er nur?
»Wir haben einen berühmten Gast im Haus, der auf dem Flügel wilder spielt als Sherlock Holmes jemals seine Geige quälen konnte«, antwortete er.
Damit hatte Simon die Gäste wieder auf seiner Seite. Huber zog die Augenbrauen zusammen und grinste.
»Tatsächlich? Da bin ich ja gespannt.«
»Tatsächlich.« Simon lächelte triumphierend und drehte sich zu seinen Schar um.
»Los geht's. Auf, um den Berg herum. Der Luchs hat bestimmt schon Hunger. Geben wir ihm keine Gelegenheit, unsere Waden oder Gurgeln zum Abendessen zu bekommen.«
»Los geht's!« Die Gäste jubelten noch lauter als zuvor, dann setzte sich der Trupp erneut in Bewegung.
Der Berg lag bereits komplett im Schatten, die Sonne schaffte es längst nicht mehr, seine Hänge und Pisten auf dieser Seite der Bergkette zu bescheinen. Im Wald war es schon sehr finster, als Simon und seine Gäste den Wanderweg entlangfuhren. Unter den Bäumen waberte die Dunkelheit und kroch immer näher an den Weg und seine Skifahrer heran. Der Trupp wollte zügig vorankommen, wurde jedoch ständig von Martin Sarotzki aufgehalten, der entweder hinfiel oder andere behinderte. Einmal war er rückwärts einen leichten Abhang hinuntergerutscht, bis er in einer Schneewehe zum Stehen kam und sich dort unsanft in den Schnee setzte. Simon hatte ihn danach hinaufgezogen, indem er ihm seinen Skistock reichte und der ältere Mann sich daran festhielt.
Mona Winter wollte Sarotzki zeigen, wie er am besten das Gleichgewicht halten konnte, aber er hatte sie völlig ignoriert. Auch ihre Tipps bezüglich des Umgangs mit den Skistöcken interessierten ihn nicht. Er stolperte einfach weiter ungeschickt durch die Gegend, hielt die Gruppe auf und meinte hin und wieder lauthals, dass er eben andere Qualitäten habe, denn wegen seiner Skifahrkünste sei seine Freundin Andrea, das Model, bestimmt nicht mit ihm zusammen.
Andrea jedoch versuchte, seine Bemerkungen zu überhören. Sie fuhr mit Lutz Terfoorth noch immer vorn. Simon hingegen fuhr an der Spitze allen voran. Die Führungsposition war ihm nicht nur Recht, weil er so ohne Worte den Weg zeigen, sondern weil er auch in Ruhe überlegen konnte, wie er das Problem mit Lukas lösen würde. Er hoffte inständig, dass der inzwischen endlich im Hotel war und den Flügel traktierte. Vielleicht hatte er ja nur im Tal ein paar Besorgungen gemacht und die Zeit vergessen.
Im Tal gab es alles, was das Herz begehrte. Es war nur ein kleiner Ort, aber dennoch groß genug, um die Wünsche seiner Besucher zu erfüllen. Wirklich ALLE
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