Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
wo in diesem Moment das erste Zimmermädchen wieder auftauchte und sie ihm abnahm.
Auf einmal vernahm Simon das Brummen eines Motors in kurzer Entfernung. Eigentlich waren Autos auf diesem Teil des Berges nicht erlaubt, nur mit besonderen Ausnahmegenehmigungen durften mit Benzin betriebene Fahrzeuge wie Schneemobile oder Schneepflüge benutzt werden. Aber dieses Geräusch war viel zu laut und zu prägnant für ein Schneemobil. Und der Schneepflug war heute Morgen schon gefahren, um den in der Nacht frisch gefallenen Schnee wegzuräumen.
Simon Neumayer runzelte die Stirn, während sein Ohr dem Klang des Motors folgte. Er hegte eine bestimmte Vermutung und fürchtete, das Auto habe ein gewisses Gebäude zum Ziel, das in etwa einhundertfünfzig Metern Entfernung zwischen ein paar Kiefern lag: das Hotel »Zum schönen Ausblick«. Es war ungefähr so groß wie Simons Hotel und konnte eine ähnliche Anzahl von Gästen beherbergen. Doch damit waren die Ähnlichkeiten auch schon erschöpft. Jedenfalls in Simons Augen. Für ihn hatte es weder den Charme noch den Stil seines Etablissements, aber das lag weniger am Gebäude selbst, sondern vielmehr an seinem Besitzer. Mit ihm verband Simon nicht gerade freundschaftliche Gefühle. Dabei konnte ein unparteiischer Betrachter das Hotel »Zum schönen Ausblick« durchaus charmant und stilvoll nennen. Über seinem weißen Putz thronte ein festes, braunes Dach, bunte Fenster schmückten es, wobei verschiedene Muster ins Holz geschnitzt waren.
Simon lag mit seinem Verdacht richtig. Vor diesem Haus fuhr in diesem Moment ein interessantes Gefährt vor. Es sah aus wie ein altes Auto, das noch mit einer Kurbel angeworfen werden musste. Es tuckerte langsam und gemächlich mit offenem Dach, während aus seinem Auspuff eine dunkle Wolke Abgas quoll.
Als der Oldtimer schließlich vor dem Hotel hielt, stiegen ein paar Gäste aus, die karierte Capes und Mützen trugen und Pfeife rauchten. Einer davon hatte einen Geigenkasten unter den Arm geklemmt.
Simon stieg das Blut ins Gesicht. Was ging da drüben vor sich?
»Sieht aus, als hätten die da drüben auch eine Menge Spaß heute Nacht.« Die Stimme eines Mannes riss Simon aus seinen Betrachtungen. »Ich bin Martin Sarotzki. Wir haben die Luxussuite.«
»Herzlich willkommen.« Schnell eilte Simons Blick zurück zu seinen eigenen Gästen, namentlich zu Martin Sarotzki, der mit selbstbewusstem Blick vor ihm stand und ihm die Hand reichte. Seine grauen Haare lagen wirr um seinen Kopf, als hätte er gerade geschlafen. Oder ihm jemand das Haar verwuschelt.
Eigentlich wollte Simons Blick schnell wieder abschweifen, die Begrüßung im benachbarten Hotel beobachten und sehen, was im »Zum schönen Ausblick« vor sich ging, doch als er die Begleitung von Martin Sarotzki sah, stockte ihm der Atem. Sie war atemberaubend schön, hatte langes, dunkles Haar, das unter ihrer weißen Mütze dicht und wellig hervorquoll. Ihre warme, samtige Haut hob sich von der weißen Jacke ab, die sie trug. In ihren Augen spiegelte sich der Schnee. Ihre langen Beine stiegen voller Anmut aus dem Schlitten und tanzten fast hinter Martin Sarotzki her. Das war also Andrea Krist, dachte Simon. Das Model. Simon hatte schon das Internet durchforstet, um sich darauf vorzubereiten, was ihn erwartete, denn er bekam nicht alle Tage ein Model in sein Hotel. Doch die Realität übertraf all seine Erwartungen. Sein Blick wanderte zurück zu Martin Sarotzki, der mit Sicherheit vierzig Jahre älter war als sie und ungeduldig darauf wartete, mit ihr die Luxussuite unterm Dach zu beziehen. Sie musste seine Freundin sein. Bewundernd und auch ein wenig neidisch betrachtete er das Pärchen, das gemeinsam durch die Tür in das Hotel ging, wobei Martin Sarotzkis teurer Mantel durch den Schneematsch vor der Tür schleifte, was ihn jedoch nicht zu stören schien.
Als Simon dem nächsten Pärchen aus dem Schlitten helfen wollte, Silvia und Lutz Terfoorth, glaubte er, endlich eine vertraute Stimme aus dem Haus zu hören. Er drehte sich zum Hotel um. »Lukas? Bist du das?«, rief er hoffnungsvoll. Doch dann sah er den Kopf seines Koches im Fenster, der eine misslungene Soße im Schnee entsorgte. Lukas war offenbar noch immer nicht aufgetaucht. Langsam wurde Simon richtig ärgerlich. Sein Freund ließ ihn heute einfach im Stich. Das würde Konsequenzen haben.
Das Bermuda-Dreieck
Als endlich alle Gäste im Haus waren und sich in ihren Zimmern einrichteten, betrat Simon Neumayer den Salon.
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