Eine letzte Breitseite
Schiffe, Thomas. Die Franzosen werden inzwischen die
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gesichtet haben und annehmen, daß sie unsere Signale an die Hauptflotte weitergibt.«
Leise sagte Leroux: »Dann möchte ich aber nicht in Commander Inchs Schuhen stecken!«
Mehrere Geschützbedienungen hatten ihre Kanonen verlassen, standen auf der Laufbrücke und beobachteten den langsam näherkommenden Feind. Wie Kavallerie mit weißen Federbüschen über einen stahlblauen Hügelkamm, so traten die Masten und Segel immer deutlicher über die Kimm, jetzt sogar für die Männer auf dem Batteriedeck sichtbar. Mehr, immer mehr, bis der ganze Horizont hinter lauter Segeln verschwand.
»Was für eine Flotte, Thomas!«
Bolitho rückte den Hut schief, damit ihm die Sonne nicht direkt in die Augen schien. Er konnte sie auf der rechten Wange spüren, auf dem durchfeuchteten Rock. Bald würde es noch heißer werden, in mehr als einer Hinsicht.
Stunde um Stunde verrann, und je höher die Sonne stieg, um so mehr gewannen die Schiffe an Realität und Individualität. Die sachlichen Konstruktionslinien der französischen Vierundsiebziger wurden erkennbar, alle beherrscht von einem mächtigen ErsterKlasse-Schiff, dem größten, das Bolitho je gesehen hatte. Es mußte Brueys’ Flaggschiff sein. Er fragte sich, was der französische Admiral wohl denken mochte, wie klein ihm und seinen Offizieren die Formation der britischen Schiffe vorkommen mußte. Und er fragte sich, ob Bonaparte wohl bei ihm an Bord sein, ihre tapfere Geste sehen und sich voll Verachtung darüber lustig machen mochte. In Bonapartes Anwesenheit lag ihre einzige Hoffnung. Denn Brueys selbst war ein tapferer und erfahrener Marineoffizier, der von der britischen Flotte wahrscheinlich mehr verstand als alle anderen dort drüben. Seine Intelligenz und sein taktisches Können waren wohlbekannt und wurden respektiert. Aber würde Bonaparte noch auf seinen Rat hören, jetzt, da Ägypten beinahe in Sicht war und nur noch drei feindliche Schiffe ihn davon trennten?
»Lassen Sie Ihren Musikzug aufspielen, Major Leroux«, sagte Bolitho. »Dieses Warten stumpft ab und macht schlapp.«
Gleich darauf schmetterten Trommler und Pfeifer das Lied
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und die Trommeljungen marschierten im Paradeschritt das Achterdeck auf und ab; nur stolperten sie hier und da über einen Beschlag oder ein ausgestrecktes Matrosenbein.
Grubb sah das verschmitzte Grinsen seiner Maaten und zog nach einigem Zögern seine legendäre Zinnflöte aus der Manteltasche; damit stimmte er in die Weise ein.
»An Deck! Feindliche Fregatte auf Südkurs voraus, Sir!«
»Die jagt die
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Sir!«
Bolitho preßte die Hände auf dem Rücken zusammen. Eine starke Fregatte mit immer höher wachsender Segelpyramide schor aus der endlosen Schiffsformation aus und nahm die Verfolgung der Schaluppe auf.
Inch hatte einen guten Vorsprung. Bei diesem mäßigen Südwest würde der französische Kommandant Mühe haben, ihn einzuholen; und wenn er die
Harebel
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nicht mit einem Weitschuß aus seinem Buggeschütz manövrierunfähig schießen konnte, mußte sie eigentlich klarkommen.
Dumpf hallte ein Kanonenschuß über das glitzernde Wasser, und eine dünne weiße Gischtfontäne sprang empor. Der Schuß lag erheblich zu kurz, und die Ausgucks in den Masten quittierten ihn mit Hohnrufen.
Als die
Lysander
heftig überholte, fielen die marschierenden Trommeljungen beinahe der Länge nach hin.
Grubb steckte seine Flöte wieder in die Manteltasche und brummte: »Wind frischt auf, Sir!« Seinen Rudergasten rief er zu: »Paßt gut auf, Kinder!«
Bolitho sah Herrick an. »Jetzt können Sie laden und ausrennen lassen.«
Das Schiff hob sich und tauchte dann in ein tiefes Wellental. Wie Glassplitter flogen Schaum und Sprühwasser an der Galion hoch.
»Mr. Veitch!« rief Herrick durch die hohlen Hände. »Geben Sie durch: Laden und ausrennen!«
Leroux sagte zu seinem Leutnant: »Tatsächlich, Peter, ich glaube, die Franzosen behalten ihre Formation bei.«
Nepean sah verständnislos drein. »Aber dann geraten
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doch direkt zwischen die zweite Gruppe, Sir? Die Versorgungsschiffe scheinen auch gut geschützt zu sein.« Er schluckte mühsam und blinzelte den Schweiß aus den Augen. »Tatsächlich, ich glaube, Sie haben recht!«
Der Major sah zur Kampanje hin. »Sergeant Gritton! Scharfschützen auf beide Seiten verteilen! Bei diesem Tempo sind wir mitten unter den Feinden, bevor sie überhaupt wissen, was los
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