Eine letzte Breitseite
Ablegen.
»Halten Sie nach
Buz
z
ar
d
Ausschau«, sagte Bolitho und blickte Farquhar grimmig in das gutgeschnittene Gesicht. »Sie müßte bald im Osten in Sicht kommen. Ich will sie mit Depeschen zum Admiral schicken.«
Farquhar zuckte die Achseln. »Tut mir leid. Ich hatte gehofft, wir könnten ihr etwas Wertvolleres mitgeben.«
Aber Bolitho kletterte bereits das Fallreep hinunter und versuchte, nicht nach unten zu sehen, wo die See an den Schiffsrumpf klatschte und ihm das Boot gegen die Beine warf. Er wartete ab, zählte die Sekunden, und im richtigen Moment sprang er ins Boot; ehe er richtig zu Atem gekommen war, gab Allday schon das Kommando zum Ablegen.
Bolitho nahm mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, im Heck Platz und befahl: »Zur
Nicator,
Allday!«
Am laufenden Gut des hoch über ihm aufragenden Vierundsiebzigers fiel ihm eine gewisse Laxheit auf. Wie der Mann, so das Schiff, dachte er: unordentlich.
Allday steuerte die Gig um das runde Heck der
Nicato
r
auf die Fallreepspforte zu. Bolitho war viel zu sehr an der Barkentine interessiert, um auf Probyns Gefühle Rücksicht zu nehmen, dem der Besuch seines Kommodore vielleicht nicht sehr angenehm war.
Sie war ein schlankes, graziöses Fahrzeug; und ihr Name,
Santa
Paula,
glänzte in prächtigen Goldbuchstaben auf dem völlig schwarzen Rumpf.
»Auf Riemen! – Riemen hoch!« Allday holte die Ruderpinne herum, und der Bugmann schlug seinen Haken in die Ketten der
Nicator.
»Das Boot fährt zurück zum Schiff!« sagte Bolitho. Und als er den Zweifel in Alldays Gesicht sah: »Schon gut, die
Nicato
r
ist ja wohl immer noch ein britisches Schiff, nehme ich an.«
Allday klopfte grüßend an die Stirn und grinste. »Ich achte dann auf Ihr Signal, Sir.«
Bolitho kletterte das Fallreep hinauf und bemerkte, wie abgenutzt die hölzernen Tritte und wie rostfleckig die Beschläge waren.
Probyn wartete neben der Ehrenwache; sein Rock triefte von Sprühwasser.
»Die Wache ist unterbesetzt, Sir; aber meine MarineInfanteristen sind auf dem Yankee«, sagte er.
»Das sehe ich.« Bolitho schritt nach achtern, weg von den neugierigen Gesichtern an der Pforte. »Jetzt berichten Sie. Was ist los?«
Probyn starrte ihn leicht verwundert an. »Wir stießen um die Mittagszeit auf die Barkentine, Sir. Ich hielt sie für einen Blockadebrecher, der an unseren Patrouillen vorbei wollte; daher gab ich ihr Signal, beizudrehen.« Er spürte die Mißbilligung Bolithos und räumte ein: »Ich weiß, wir sollen die amerikanische Neutralität respektieren, aber…«
»Da gibt’s kein Aber.«
Bolitho warf einen Blick auf die beiden Rudergänger des Schiffes. Sie sahen aus, als hätten sie noch dieselben Kleider an wie seinerzeit, als sie vom Preßkommando geschnappt worden waren. Alle Kommandanten wußten, wie er darüber dachte. Er hatte schriftliche Order gegeben, daß jeder neue Mann, ob Gepreßter oder Freiwilliger, sein Leben an Bord in einer Garnitur ordentlicher Dienstkleidung beginnen sollte. Das war etwas so Billiges und zugleich Wichtiges, daß er sich immer wieder über die Dummheit mancher Kommandanten wunderte, die so geizig waren, daß sie keine Dienstkleidung ausgaben, bis die Männer nur noch Fetzen auf dem Leibe hatten. Probyn wußte das sehr gut und hatte auch so getan, als fände er es ganz in der Ordnung. Aber anscheinend war das ein Fall von »Aus den Augen, aus dem Sinn«. Nun, damit würde er sich später befassen.
»Was also war Ihr wirklicher Grund?«
Probyn ging voran in seine Kajüte. »Ich bin sehr knapp an Leuten, Sir. Ich mußte von England auslaufen, ehe ich richtig Gelegenheit zum Rekrutieren hatte, sonst…«
Bolitho starrte ihn an. »Und nun haben Sie ein
Preßkommando
auf ein amerikanisches Schiff geschickt?«
Probyn schwieg einen Moment und blickte Bolitho vorwurfsvoll an. »Es ist allgemein bekannt, daß auf der anderen Seite Jahr für Jahr viele Hunderte unserer Matrosen zur amerikanischen Flagge desertieren.«
Bolitho wußte das auch. Es war in der Tat ein wunder Punkt zu beiden Seiten des Atlantik. Die britische Regierung hatte erklärt, daß sie jeden amerikanischen Matrosen als rechtmäßige Verstärkung für ihre unterbesetzten Kriegsschiffe betrachte, es sei denn, der betreffende Kapitän konnte für jeden in Frage kommenden Mann eine Staatsangehörigkeitsurkunde vorlegen.
Der amerikanische Präsident trat seinerseits ebenso entschieden auf. Er hatte erklärt, wenn ein Mann auf einem amerikanischen Schiff angeheuert
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