Eine letzte Breitseite
habe, so sei das Beweis genug, daß er Amerikaner sei. Dokumente könnten vernichtet oder ignoriert werden, die amerikanische Flagge nicht.
»Wir haben Geschützfeuer gehört«, erinnerte Bolitho.
Probyn ging an dem Posten stehenden Marine-Infanteristen vorbei und erwiderte: »Der Yankee wollte trotz meines Warnschusses nicht beidrehen. Das lasse ich mir von niemandem bieten.« Zögernd ging er durch die Diele voran und trat in die Kajüte. Jetzt endlich schien er unsicher zu werden. »Ich habe den Kapitän an Bord, Sir. Unter Bewachung. Da Sie hier sind, übergebe ich ihn wohl am besten Ihnen.«
Bolitho musterte ihn kalt. »Bringen Sie mich zu ihm.«
Der Kapitän der Barkentine saß in der Achterkajüte. Ein dienstälterer Midshipman Probyns leistete ihm Gesellschaft. Nun stand der Amerikaner auf und beäugte Bolitho mit offensichtlicher Überraschung. »Also gibt es doch noch einen Vorgesetzten, eh?« Er sprach mit einem weichen Akzent, aber trotzdem war ihm anzuhören, daß er wütend war.
»Ich bin Richard Bolitho, Kommodore dieses Geschwaders. Wie ich höre, haben Sie sich geweigert, beizudrehen«, sagte er und ging zum Fenster.
Hitzig erwiderte der Amerikaner: »Beidrehen, zum Teufel! Ich verdiene mein Geld schwer genug, ohne daß ich mich von einem verdammten Engländer beschießen lassen muß!«
Bolitho nahm Platz und sah ihn sich an: ein untersetzter Mann mit sauber gestutztem, braunem Bart, ungefähr so alt wie er.
»Und Ihr Name?«
Gereizt erwiderte der Amerikaner Bolithos prüfenden Blick.
»Kapitän John Thurgood. Aus New Bedford.«
»Nun, Captain Thurgood aus New Bedford«, lächelte Bolitho, »in Kriegszeiten hat ein Schiff des Königs nie genug Mannschaften, das ist des Kommandanten ständige Sorge.«
Thurgood setzte sich wieder, ohne von Probyn Notiz zu nehmen.
»Das ist und bleibt Ihr Problem, Kommodore. Ich führe nicht Krieg, und meine Männer sind nicht für König George da.« Er lokkerte sich etwas. »Meine Regierung wird aufs schärfste protestieren und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wenn ich mich beschwere. «
Bolitho nickte. »Das ist Ihr gutes Recht, Captain. Aber Sie wissen ebenso wie ich, daß eine ganze Menge Ihrer Leute so wenig amerikanisch sind wie die Westminster Abbey.« Er hob die Hand.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Spielt auch keine Rolle. Sie sind offenbar ein gescheiter Mann, und es hat keinen Sinn, daß wir uns streiten.« Er stand auf. »Ich werde Sie auf Ihre schöne Barkentine zurückbringen lassen und Ihnen ein kleines Geschenk schicken: exzellenten Käse aus England. Ich hoffe, es kann den Ärger lindern, den wir Ihnen verursacht haben, wenn auch nicht ungeschehen machen.«
Thurgood sprang auf. »Sie meinen, ich kann gehen?« Völlig überrascht starrte er erst Bolitho und dann dem wutschnaubenden Probyn ins Gesicht. »Also, da soll mich doch…«
»Und Ihre Fracht, Captain? Darf ich mich erkundigen, was Sie geladen haben?« fragte Bolitho beiläufig.
»Billigen Rotwein«, antwortete Thurgood. »Die ganze Last voll. In meinem Heimathafen würde man damit den Fußboden waschen.« Er lachte in sich hinein, bis seine Augen unter einem Netz von Krähenfüßen verschwanden. »Bei Gott, Sie wissen, wie man einem Mann den Ärger vertreibt!«
»Ich muß protestieren!« rief Probyn aus.
»Bitte lassen Sie uns allein, Captain Probyn«, sagte Bolitho ruhig. »Und Ihr Midshipman soll dem Flaggschiff signalisieren, daß mein Bootsführer nachher, wenn er mich abholen kommt, einen schönen Käse mitbringt, gut verpackt.«
Thurgood grinste hinter dem abgehenden Probyn her. »Bei Gott, ich bin froh, daß Sie gekommen sind, Kommodore. Ich glaube, der da hätte mich am liebsten an den Großmast binden und auspeitschen lassen.«
»Er war im letzten Krieg Gefangener.« Thurgood zuckte die Schultern. »Ich auch.«
Bolitho nahm seinen Hut. »Eine Sache noch, Captain. Sie kommen aus Marseille, ohne Zweifel.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich will Ihnen keine Falle stellen. Aber es ist unwahrscheinlich, daß Sie eine Fracht wie die Ihre anderswo hätten laden können. Und wo segeln Sie hin?«
Thurgood musterte ihn amüsiert. »Nach Korfu. Dann mache ich, daß ich wegkomme, nach Hause. Ich habe eine Frau und drei Kinder in New Bedford.«
»Beneidenswert.« Bolitho merkte nicht, mit welcher Wärme der Amerikaner ihn anblickte. »Ich habe eine spanische Prise bei me inem Geschwader. Sie wurde vor einiger Zeit gekapert.« Er blickte Thurgood bedeutsam an.
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