Eine Luege macht noch keine Liebe!
Schatten unter ihre Augen. Sie bot einen geradezu erschreckenden Anblick. Sie wusch noch einmal sorgfältig ihr Gesicht und wünschte sich sehnlichst, ihr Make-up bei der Hand zu haben, um die hässlichen Kratzer wenigstens ein bisschen verbergen zu können, doch wie es schien, musste sie ihm so gegenüber treten, wie sie nun mal war.
Na gut, dachte sie resigniert, wenn ich ihm so nicht mehr gefalle, ist nichts zu machen. Sie rieb sich die Haare trocken so gut es ging und kämmte sie durch. Dann stand sie vor einem neuen Problem: was sollte sie nun anziehen? Über der Badewanne hingen ihre Kleider, die nahm sie herunter und stellte fest, dass sie so gut wie trocken waren. Allerdings hatte Alessandro Recht gehabt, bis auf die Unterwäsche hatten alle Teile Risse und Blutflecke. Ihre Jeans waren noch einigermaßen akzeptabel, aber sie hatte keine Lust, frisch gebadet in die schmutzigen Sachen zu steigen. Als es an der Tür klopfte und sie sich umsah, bemerkte sie einen Bademantel am Haken und warf ihn sich über.
„Ja?“
„Wenn du fertig bist, komm runter, du solltest etwas essen", hörte sie Alessandro von draußen und öffnete die Türe.
„Ich komme. Tut mir leid, ich sehe schrecklich aus und etwas anderes", sie wies auf den Bademantel, „war gerade nicht zu finden. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich mir den ausleihe?“
„Ganz im Gegenteil, er steht dir fabelhaft", scherzte er und ging vor ihr her die Treppe hinunter. Unten fand Lara sich zu ihrer Überraschung in dem Raum wieder, in dem sie damals an Alessandros Geburtstag gesessen hatten.
„Aber -“ sie hielt verblüfft inne. „Du hast doch vorhin gesagt, wir wären bei dir? Ist das denn nicht Antonios Haus?“
„Nein. Wir benutzen es manchmal gemeinsam, treffen uns gelegentlich zum Essen oder der eine oder andere verbringt mal ein Wochenende hier, wenn er Lust hat, aber es gehörte meinem Urgroßvater.“
„Aha“, ihr ging ein Licht auf. „Ich verstehe. So etwas wie ein Liebesnest also, was?“ Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. „Und warum hast du dann damals geläutet, als du mich hierher gebracht hast?“
Er lachte und wollte ihr einen Teller in die Hand drücken.
„Was dir alles auffällt! Ich hatte einfach nur meinen Schlüssel hier gelassen! Und ganz so schlimm ist es mit dem Liebesnest nun auch wieder nicht, ich komme oft her, wenn ich einfach nur allein sein möchte. Setz dich, Silvia hat uns deine Lieblingsspaghetti gebracht.“
Laras Kehle war wie zugeschnürt, seit sie hinter ihm die Treppe hinunter gegangen war. Sie hatte sein charakteristisches Aftershave noch in der Nase und mit einem Mal war schlagartig jener Abend in ihr Bewusstsein zurückgekehrt, an dem sie ihren Pakt geschlossen hatten. Die Erinnerung an die Erregung, die er in ihr ausgelöst hatte, verursachte ein unkontrollierbares Kribbeln in ihrer Magengegend und keineswegs nur dort!
„Ich kann jetzt unmöglich essen“, gestand sie mit rauer Stimme und sah zu ihm auf.
Ein Blick in sein Gesicht sagte ihr, dass auch er sich der Situation vollkommen bewusst war.
Der Moment war also gekommen, nur dass sie sich die Situation doch irgendwie anders ausgemalt hatte – romantischer und nicht so banal!
Sie hatte sich vorgestellt, wie sie sich herausputzen und darauf vorbereiten würde, mit einem duftenden Bad und allem möglichen Krimskrams. Naja, immerhin hatte sie tatsächlich gebadet!
Alessandro stellte achtlos die beiden Teller beiseite - offensichtlich hatte auch er keinen Appetit auf Essen - legte ein Holzscheit nach und bot ihr noch immer schweigend ein Glas Wein an. Einen Moment lang versanken ihre Blicke ineinander, als sie sich zuprosteten.
Eigentlich war die Situation doch nicht so verkehrt, geradezu klassisch, schoss es ihr nun durch den Kopf, Verführung mit Rotwein und Kaminfeuer nach einer dramatischen Rettungsaktion. Auch nicht schlecht!
Sie stellten ihre Gläser ab und Lara wandte sich ihm wieder zu.
Alessandro stand dicht vor ihr, sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, doch noch berührte er sie nicht. Seine dunklen Augen spiegelten das Kaminfeuer wieder, das unruhige Schatten auf seine Wangen warf. Sein intensiver Blick ruhte ernst auf ihr und sie erwiderte ihn.
„Du kannst noch immer nein sagen“, seine Stimme klang leise und fast ein bisschen heiser, „aber wenn du es nicht tust, dann gehörst du heute Nacht mir!“
Ein leises Stöhnen entfuhr ihr. Die Spannung, die über ihnen lag, erschien ihr unerträglich. Sie
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