Eine Marcelli geht aufs Ganze
an.«
»Stimmt genau. Die jungfräuliche Erde, die windumtosten Hügel, das milde Klima – das alles war perfekt, um Wein anzubauen. Antonio und Salvatore kauften aneinandergrenzende Grundstücke. Sie teilten sich die Arbeit, feierten ihre Erfolge und stießen gemeinsam mit ihrer ersten Ernte an. Als die Zeit gekommen war, kehrten sie nach Italien zurück, um zu heiraten, und kamen mit ihren Frauen wieder hierher nach Kalifornien. Das sollte der Anfang eines glücklichen und erfüllten Lebens sein. Wild Sea Vineyards und Marcelli Wines waren geboren. Antonio und Salvatore bekamen je einen Sohn und zwei Töchter.«
Sie machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser. Sam beugte sich vor. »Sie haben diese Geschichte während Ihrer Kindheit oft gehört.«
»So ungefähr eintausend Mal.«
»Ihre Stimme verändert sich, wenn Sie über Ihre Familiengeschichte sprechen.« Doch es war nicht nur ihre Stimme, die sich veränderte. Ihr Blick ging an ihm vorbei direkt in die Vergangenheit.
»Meine Großmutter spricht oft über die alten Zeiten. Ich schätze, ich wiederhole nur, was sie sagt.«
Sie atmete tief ein und fuhr fort: »Die Ereignisse im Europa der späten 1930er-Jahre bereiteten den beiden Freunden Kummer. Mit der deutschen Besetzung von Frankreich und den Drohungen gegen Italien während des Zweiten Weltkriegs gingen große Sorgen um den Zustand der Weinstöcke daheim einher. Würden Generationen gesunder Reben zerstört werden? Antonio und Salvatore reisten nach Europa, wo ihnen Freunde Ableger der Weinstöcke anboten. Sie fuhren weiter durch die Länder und sammelten immer mehr Ableger von den berühmtesten Weingütern Frankreichs und Italiens. Dann kehrten sie heim, um diese Ableger mit ihren stärksten Rebstöcken zu veredeln. Was auch immer in Europa geschähe, in Amerika würde die Tradition fortgesetzt.«
»Mir ist bereits aufgefallen, dass die Wild Sea- Weine einen etwas europäischen Geschmack haben«, warf Sam ein. »Aber auf die Marcelli-Weine trifft das meiner Meinung nach nicht zu.«
»Ich weiß.« Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß genau, was passiert ist oder warum. Anfangs entwickelten sich beide Weinberge gut, aber nach einer gewissen Zeit gingen die Reben auf dem Grundstück der Marceliis ein. Antonio beschuldigte Salvatore, sein Land verflucht oder seine Rebstöcke vergiftet zu haben. Die beiden Männer hatten einen großen Streit, der dazu führte, dass die Freundschaft zwischen ihnen und ihren Familien zerbrach. Bis zum heutigen Tag sind Marcelli Wines und Wild Sea Vineyards Erzfeinde.«
Die Geschichte gefiel ihm, aber irgendwie gefiel ihm alles, was Francesca zu erzählen hatte.
»Gab es auch Blutvergießen?«, wollte er wissen.
»Nein, das ist nicht unser Stil.« Sie lächelte. »Wir sind mehr die Typen für hitzige Diskussionen. Mein Großvater, Antonios Sohn, hat das meiste Interesse daran, die Fehde aufrechtzuerhalten. Meine Eltern waren an diesem alten Streit nie besonders interessiert, und meine Schwester und ich stehen dem Ganzen relativ neutral gegenüber.«
»Wer leitet Wild Sea heute?«
»Salvatores Urenkel Nicholas.« Sie berührte die Flasche mit ihren Fingerspitzen. »Ihr Geschäft floriert, seitdem sie die neuen europäischen Reben anbauen. Wir führen zwar ein erfolgreiches Unternehmen, doch sie besitzen ein internationales Konglomerat.«
»Wie kommt es, dass Sie Psychologie studieren und nicht Weinwirtschaft?«
»Grandpa Lorenzo sagt, der Weinanbau muss mit Leidenschaft betrieben werden. Doch die konnte ich nie aufbringen. Meiner Schwester Brenna hingegen liegt es im Blut.«
Der Kellner räumte ihre Teller ab. Dankend lehnte Francesca ein Dessert ab. Sam reichte dem Kellner seine Kreditkarte.
»Vielen Dank fürs Essen«, sagte Francesca, als sie wieder allein waren. »Ich habe den Abend sehr genossen.«
»Ich auch.« Sam lächelte. »Ich würde Sie gerne wiedersehen.«
Ein heißes Kribbeln breitete sich in ihrer Magengegend aus. »Ich Sie auch.«
»Wie wäre es mit morgen Abend? Außer Sie haben schon andere Pläne.«
Sie nahm an, dass sie so tun sollte, als wäre sie viel gefragt. Das behauptete ihre kleine Schwester Mia zumindest immer. Doch Francesca war noch nie sonderlich gut darin gewesen, Anweisungen zu befolgen.
»Morgen passt mir gut.«
Sam zog eine Visitenkarte aus seiner Sakkotasche und schrieb etwas auf die Rückseite. »Meine Privatnummer«, sagte er und reichte ihr die Karte. Dann nahm er eine weitere Karte zur Hand. »Und
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