Eine Marcelli geht aufs Ganze
Santa Barbara?«
Francesca dachte an all die Male, die sie bereits ähnliche Experimente durchgeführt hatte, um herauszufinden, ob fremde Menschen sich die Mühe machten, stehen zu bleiben und ihr zu helfen. Sie hatte nette alte Damen getroffen, die ihr anboten, sie in ihrem Auto mitzunehmen. Sogar ein Schulkind, das ihr bei der Suche nach ihrem entlaufenen Hund helfen wollte. Aber niemals war jemand so weit gegangen wie Sam Reese.
Sie atmete tief ein. »Sie waren großartig«, sagte sie. »Wirklich unglaublich. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Sie bedauerte ihre mausbraunen Haare und die übergroße Brille, ganz zu schweigen von dem absichtlich unschmeichelhaft aufgetragenen Make-up. Erfolgreiche, umwerfende Männer wie er waren an der Uni selten. Warum hatte sie sich an diesem Tag nicht für ihr sexy Bikergirl-Outfit entschieden, anstatt als hässliche Schwangere herumzulaufen?
Sam wartete geduldig. Als wenn er alle Zeit der Welt hätte und an Menschen gewöhnt war, die ihm nur widerstrebend die gewünschten Informationen gaben.
»Wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihren Boss aufspüre, ist das Ihre Entscheidung«, sagte er. »Aber bitte essen Sie doch etwas. Wenn schon nicht für Sie selbst, dann wenigstens für das Baby.«
Sie wünschte, er würde aufhören, ihre Schwangerschaft zu erwähnen. Okay, in all den Jahren, in denen sie so etwas schon machte, hatte sie kein einziges Mal ihre Tarnung aufdecken müssen. Doch jetzt wurde sie von Schuldgefühlen überwältigt. Schuldgefühle, gepaart mit einer mehr als nur oberflächlichen Anziehungskraft eines gut aussehenden Mannes.
»Ich bin nicht schwanger.«
Sein Blick ruhte weiter auf ihrem Gesicht. Ein Punkt für ihn. Sie nahm die Brille ab und warf sie auf den Tisch. Es war eine kleine Geste der Eitelkeit, aber unter diesen Umständen – mit dem hässlichsten Kleid der Welt, praktischen Schuhen und einer wenig schmeichelhaften Frisur – war sie einfach unumgänglich.
»Ich studiere Sozialpsychologie und beobachte, wie Menschen unter verschiedenen Umständen reagieren. In meiner Arbeit versuche ich zu erkennen, ob die gesellschaftliche Stellung, die Erscheinung oder das Geschlecht das Verhalten beeinflussen.«
Sam steckte sein Notizbuch zurück in die Jackentasche und sah Francesca fragend an. »Halten viel beschäftigte Leute, die es kaum erwarten können, endlich ins Wochenende zu kommen, an einem Freitagnachmittag inne, um einer schwangeren Frau zu helfen?«
»Genau.«
Seine Augen verengten sich ein wenig, als er Francesca genauer musterte. »Was ist in den Kisten?«
Sie räusperte sich. »Altpapier.«
»Sie haben sie absichtlich an eine Firma adressiert, die es nicht mehr gibt?«
»Ja.«
Nun fiel sein Blick auf ihren dicken Bauch. »Und das?«
»Eine Krankheit.«
Er riss erschrocken die Augen auf.
Sie lachte leise. »Ich mache nur Witze. Das ist eine Vorrichtung, um eine Schwangerschaft zu simulieren. Ich habe mir den Bauch von einem Umstandsmodengeschäft geliehen. Frauen benutzen ihn, um zu sehen, wie ihre Kleidung aussehen wird, wenn der Bauch an Umfang zunimmt.«
Kopfschüttelnd nahm er ihre Brille in die Hand und schaute durch die Gläser. »Fensterglas.«
Er lächelte. Ein ansteckendes, umwerfendes Lächeln, das in Francesca den Wunsch weckte, ihre praktischen Schuhe gegen ein paar rote High Heels einzutauschen.
»Ich bin normalerweise nicht leicht zu täuschen, Francesca. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht erinnern, wann das zuletzt jemandem gelungen ist. Sie sind sehr beeindruckend. Und der Ohnmachtsanfall hat dem Ganzen noch den besonderen Kick gegeben.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Der Teil war nicht gespielt. Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, und das verträgt mein Blutzucker nicht so gut.«
Er zeigte auf ihren dicken Bauch. »Sie verbringen Ihren Tag in diesem Aufzug – und das nur aus wissenschaftlichen Gründen?«
»Ich verkleide mich nicht immer als Schwangere. Manchmal bin ich im Rollstuhl unterwegs, manchmal tätowiert und ganz in Leder.«
Er lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Das sorgt bestimmt für Verkehrsstaus.«
»Kommt ganz drauf an, wo ich bin.« Lächelnd streckte sie die Hand nach ihrer Teetasse aus. »Es gibt Dutzende von Studien über den Effekt, den das Aussehen auf das Verhalten hat. Wussten Sie, dass einem attraktiven Menschen öfter geholfen wird als einem unattraktiven?«
»Männer sind sehr visuelle Kreaturen.«
»Aber das gilt
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