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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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wahr. Suzie war ein hübsches Mädchen mit einem Dutzend Verehrern gewesen. Fast jeder von ihnen hätte sie besser behandelt als Michael. Wie zahllose Frauen vor ihr hatte sie ihr Glück weggeworfen und war ihrem törichten Herzen gefolgt. Wenn Nell heiratete, würde sie ihren Mann nach besseren Kriterien auswählen: Freundlichkeit, Anständigkeit, ein solides Dach, das ihr einen Unterschlupf bot. Ein Mann, der sie mehr liebte als sie ihn: Das war der sicherste Weg zum Glück.
    »Klar, sie liebt mich.« Michael fing zu lallen an, aber der Griff um ihr Handgelenk lockerte sich nicht. »Bist ja fürchterlich besorgt um Suzie! An deiner Stelle wäre ich um mich selbst besorgt.«
    »Das bin ich, sobald ich Grund dazu habe.« Wahrscheinlich war sie die Einzige in dieser Wohnung, die halbwegs klar dachte.
    »Ich denke, du hast Grund genug. Ich habe von deinem kleinen Gespräch mit der Vorarbeiterin gehört. Was für beeindruckende Ideen du doch hast!«
    Nell hielt den Atem an. Sprachen die Leute etwa darüber? Sie hatte Mrs Plimpton nur gebeten, mit dem Fabrikbesitzer über ein paar Fenster für die Halle zu sprechen. Viel Gutes war nicht dabei herausgekommen – die Frau hatte sich schiefgelacht.
Du wirst nicht fürs Atmen bezahlt
, hatte sie gesagt.
Zurück an die Arbeit
.
    »Es hat niemandem geschadet«, flüsterte sie. »Nur ein kurzes Gespräch.«
    »Du bist eine Närrin. Glaubst du, es schert sie, ob du es bequem hast? Was, glaubst du, bist du in ihren Augen? Genauso ein Stück Schlachtvieh wie all die anderen.«
    Die Bitterkeit in seiner Stimme traf Nell. Seine ganze Geschichte klang darin mit, und das besänftigte sie ein wenig. Vor dem Gefängnis hatte er eigene Vorstellungen davon gehabt, was Arbeitern zustand. Er hatte sein Geld in den Kampf für Reformen investiert und nichts als Elend und Kummer zurückbekommen. Sie konnte verstehen, wenn er es für dumm hielt, ihm nachzueifern.
    »Ich werde nichts mehr sagen«, sagte sie. »Aber ich habe recht, Michael. Mum ist von der Luft in der Fabrik krank geworden. Und es wäre so einfach, das zu ändern …«
    Seine Nägel bohrten sich in ihren Arm. »Geht mich das was an?«
    Nell packte die Gabel fester. Wenn sie ihn wirklich stechen müsste, würde es eine hässliche, lange Nacht werden. »Nein.«
    »Sobald sie dich rauswerfen, geht es mich was an. Dann mache ich was mit Dickie ab, egal was du davon hältst.«
    »Ist gut«, sagte sie monoton.
    »Er hat heute auf der Straße nach dir gefragt. Hatte zehn Schilling in der Hand. Meinte, er gibt sie genauso gern für dich aus wie für ein anderes Mädchen.«
    Die Dunkelheit fühlte sich an wie eine Hand, die sich auf ihren Mund presste und ihr den Atem abdrückte. Verdammter Dickie Jackson. Er wusste genau, was er mit solchen Reden anrichtete. Als würde er mit einem roten Tuch vor einem Stier herumwedeln. Er hielt sich für so clever, Michael mit dem Geld zu ködern. Glaubte, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis ihr Stiefbruder sie dazu zwang.
    Aus dem anderen Raum kam ersticktes Husten.
Oh Gott, lass sie nicht aufstehen. Lass sie zu schwach sein zum Aufstehen
. »Ich habe diese Woche das Doppelte verdient.« Ihre Stimme klang heiser. Ihr Handgelenk pochte.
    »Aber du könntest zehn Schilling in einer Viertelstunde machen. Hältst dich für zu gut, was? Glaubst, du bist was Besseres als wir anderen. Was Besonderes.«
    Nell schluckte. In letzter Zeit hatte sie selbst manchmal darüber nachgedacht. So viele Mädchen, die sie kannte, hatten an der Mauer schnelles Geld verdient. Warum sollte es ihr anders ergehen? Sicher, sie konnte lesen und schreiben und hatte hart gearbeitet, um etwas zu lernen, aber das machte sie nicht zu etwas Besonderem. Hungernde Menschen waren alle gleich. Und am Ende mussten alle sterben.
    Zehn Schilling in einer Viertelstunde. Keine schlechte Ausbeute.
    Aber es ging nicht. Es war nicht mal Logik oder Vernunft, die es ihr verboten, sondern etwas tief in ihrem Inneren und hart wie Diamant. Sie konnte diese Möglichkeit zwar in Betracht ziehen, würde aber niemals einwilligen. Es gab einen anderen Weg. Ihr würde irgendetwas einfallen. Wenn nicht der Geldverleiher, dann würde sie stehlen, bevor sie sich vom verdammten Dickie Jackson flachlegen ließ. »Ich zahle für meinen Schlafplatz hier …«
    »Von wegen! Mason unten in der Straße sagt, ich könnte zwölf die Woche für deinen Platz kriegen …«
    Wut schoss unangekündigt in ihr empor. »Dein Vater hat versprochen, dass wir hierbleiben

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