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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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vielleicht gesagt.
Es ist so ungerecht und liegt mir schwer auf dem Herzen wie ein Stein, wie ein glühend heißer Stein.
    Aber was hätte Hannah davon gehabt? Sie brauchte ein Vorbild – jemanden, der ihr zeigte, dass man akzeptieren musste, was nicht zu ändern war. Man musste es akzeptieren; sonst breitete sich das Feuer in der Brust aus und man verbrannte von innen. Nell spürte bereits, wie das mit ihr geschah. Sie hatte gesehen, wie es mit ihrem Stiefbruder geschehen war. Letzten Herbst hatte Michael gewettert und getobt und wollte die Welt verändern. Er hatte sich den Sozialisten angeschlossen und dabei geholfen, über tausend Mann zu versammeln. Sie waren durch den Hyde Park marschiert, hatten Slogans gerufen und nach Gerechtigkeit verlangt.
    Und was hatte es ihnen gebracht? Den Zorn der Polizei. Gebrochene Rippen und zerschmetterte Nasen. Ein paar Tage lang waren sie in den Zeitungen gewesen … und dann war es vorbei. Die Snobs hatten sich wieder ihren Teegesellschaften gewidmet, und Michael hatte zum Gin gegriffen.
    Nein. Solche Ideen sollte man besser vergessen.
    »Das mach ich«, sagte Hannah und Nell schrak zusammen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie den letzten Satz laut ausgesprochen hatte. Doch sie hatte das Richtige gesagt, denn Hannahs Griff lockerte sich. Sie schenkte Nell ein richtiges Lächeln und stimmte eine Ballade an, die gerade auf der Straße die Runde machte. Nell fiel ein, und zusammen liefen sie in flottem Tempo nach Hause.
    In der Nacht wurde Nell von dem Geräusch von Schritten geweckt, die direkt neben ihr aufhörten. Als sie die Augen öffnete, sah sie drohend über sich gebeugt Michaels dunkle Gestalt. Keine Armeslänge entfernt ließ Mum einen feuchten, erstickten Atemzug hören.
    »Es ist aus mit ihr«, sagte Michael. »Hörst du sie röcheln?«
    Hundertmal hatte er das schon gesagt. Sie roch Gin an ihm. Die Dielen knarrten unter seinen Füßen, als er taumelte.
    Sie stützte sich auf den Ellbogen. »Wo ist Suzie?«
    »Wo ist Suzie«, äffte er sie nach. »Wo zum Teufel soll sie schon sein?«
    Zu ihrer Rechten hörte sie ihre Mutter murmeln.
Sag nichts
, beschwor Nell sie still.
Schlaf weiter
. Sie hatte Suzie früher am Abend gesehen – mit einem blauen Auge und rotem, verweintem Gesicht. Obwohl Michael eine Weile ohne Alkohol auskam, war niemand wirklich froh darüber. Seine Abstinenz endete ausnahmslos in einem tagelangen Besäufnis.
    Wenn er Streit suchte, konnte er den im hinteren Zimmer haben. Mum brauchte ihren Schlaf.
    Nell schob die Decke beiseite und stand auf. Sie spürte ein Kribbeln im Nacken, als sie hinter ihm herging.
    Ein dünnes Laken trennte die beiden Räume. Auf der anderen Seite stand eine Petroleumlampe auf dem kleinen Tisch neben der Herdstelle. Nell tastete nach den Streichhölzern, um die Lampe anzuzünden.
    Doch Michael packte sie plötzlich am Handgelenk und riss sie herum. Seine heiße, feuchte Hand war doppelt so groß wie ihre. »Hör auf«, sagte er. »Mach bloß kein Licht. Sonst muss ich dein hässliches Gesicht sehen.«
    »Ist gut«, flüsterte sie. Mum sagte, in ihm wohne ein Dämon, der sich vom Alkohol ernähre. Nell hörte meistens nicht zu, wenn sie von Teufeln fantasierte, aber in Nächten wie dieser konnte man leicht an so etwas glauben.
    Mit der freien Hand tastete sie hinter sich nach der langen Eisengabel, mit der sie Würste über dem Feuer grillte. Sie lag gut in der Hand, ein solides, beruhigendes Gewicht. Nell hatte die Zinken vor einer Woche geschärft.
    »Wo ist Suzie?«, fragte sie wieder.
Lieber Gott, lass sie nicht tot sein.
Wenn ein Mann erst einmal anfing, die Fäuste zu gebrauchen, hörte er meistens nicht wieder auf. Eines Tages würde Michael bei einer von ihnen zu hart zuschlagen, fürchtete sie.
    »Im Motts.« Sein Lachen war leise und gemein. »Sie macht den Männern schöne Augen, wie immer. Macht mich krank, sie zu sehen.«
    Nell wünschte, sie könnte sein Gesicht erkennen. Er kam nach ihrem Stiefvater. Sein Teint war schmutzig braun, aber er war gut gebaut, ein Boxer, gut aussehend und stolz darauf. Solange er nicht die Beherrschung verlor, würde er sich nicht erlauben zu grinsen oder den Mund zu verziehen. Wenn sie ihn nur sehen könnte. Dann wüsste sie genau, wann sie die Gabel gebrauchen musste. »Das ist Teil ihrer Arbeit, Michael. Sie verdient gutes Geld.«
    »Ja, oder? Ich frage mich, warum sie so viel bekommt. Und ich glaube, ich weiß es.«
    »Ich weiß nur, dass sie dich liebt.« Bedauerlich, aber

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