Eine Rose im Winter
Christopher sich umsah. Die wenigen Banditen, die eingedrungen waren und überlebt hatten, verzogen sich vor den Säbelhieben von Haggard Bentworth nach draußen. Der Glanz in seinen Augen sagte ihnen, daß er es ernst meinte. Christopher warf das Schwert weg und schloß Erienne in seine Arme, als sie zu ihm kam und erleichtert an seiner Brust weinte.
»Ich muß Ihnen danken, daß Sie meinen Rücken verteidigt haben, Madam«, flüsterte er in den leichten Duft ihres Haares. »Unser Kind wird deswegen mit einem Vater aufwachsen.«
Ihr Körper bebte schluchzend, als die Spannung des Tages von ihr wich und ihre Ängste schwanden. Sie schmiegte sich an ihn und benetzte sein Hemd mit Tränen. Er hielt sie fest an seiner Brust, und sie spürte das zärtliche Streicheln seiner Hand und die Berührung seiner Lippen auf ihrem Haar.
Schließlich fand sie ihre Ruhe wieder. Christopher trat mit ihr an seiner Seite ins Freie, in die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne. Sie sahen die vielen Menschen, die zu ihrer Verteidigung herbeigeeilt waren. Sogar Christopher wurden die Augen feucht, als er sah, wie viele seiner Pächter für sie ihr Leben riskiert hatten. Sie wollten sich Gewissheit verschaffen, ob die Familie der Saxtons alles gut überstanden hatte und trafen einen Lord, den sie mit Freude ansehen konnten. Es dauerte nicht lang, und sie begannen damit, die Toten wegzutragen. Es schien, als ob von ihren eigenen Leuten nicht mehr als eine Handvoll ernsthaft verwundet war.
Bundy und Tanner trugen Lord Talbot heraus. Aus dem Wagen der Talbots hörte man unterdrückte Schreie des Entsetzens, als Claudia und Avery die leblose, blutige Gestalt erkannten. Die Seeleute von der Christina waren an Claudia vorbeigegangen. Nachdem sie sich mit einem Blick in den Wagen überzeugt hatten, daß von dort keine Gefahr drohte, machten sie auch keinen Versuch sie anzuhalten, als sie zum Kutscher hinaufrief, sich auf den Weg zu machen.
Für den Mann ebenso wie für die Frau bedeutete die Niederlage einen vernichtenden Schlag. Avery sah für sein Leben keine Hoffnung mehr. Ihm blieb nichts, als in nicht endender Furcht durch das Land zu streifen, immer in Todesangst vor dem Augenblick, da er wieder auf Christopher Seton treffen würde. Oder war es Saxton? Er zuckte voller Ungewissheit mit den Schultern. Einer war so schlimm wie der andere.
Claudias Aussichten waren kaum besser. In den vergangenen Tagen hatte sie genug erfahren, um den Verdacht zu erhärten, daß ihr Vater ein Dieb, vielleicht sogar ein Mörder war. Sein Besitz würde ihm sicher von der Krone genommen werden, und der Gedanke an die damit verbundene Erniedrigung war für sie unerträglich. Ohne jemanden zu haben, der für sie sorgte und sie mit den Annehmlichkeiten des Lebens verwöhnte, wußte sie nicht, wie sie überleben konnte. Vielleicht sollte sie zusammenraffen, was immer sie an Reichtümern im Haus der Talbots finden konnte und das Land verlassen.
Christopher beobachtete, wie die Kutsche seinen Blicken entschwand, um sich dann den beiden Männern zuzuwenden, die auf ihn zukamen. Es waren Farrell und Kapitän Daniels. Während der letztere ein breites Lächeln sehen ließ, runzelte Farrell missbilligend die Stirn, als er das Paar sah. Christopher streckte dem Kapitän seine Hand zur Begrüßung entgegen und blickte dann auf den Bruder seiner Frau.
»Farrell, ich fürchte, man hat uns noch nicht richtig vorgestellt.« Christopher lächelte, als er ihm seine Hand reichte. »Ich bin Lord Saxton.«
Der junge Mann riß die Augen auf und sah fragend in das sanft lächelnde Gesicht seiner Schwester, als er mechanisch die Hand ergriff. »Lord Saxton? Der Lord Saxton?«
»Jawohl, ich bin der, der die Maske trug und hinkte«, gestand Christopher. »Ich habe das zum einen getan, um die Banditen glauben zu machen, daß der Mann, den sie ermordet hatten, noch am Leben war. Und dann gab es noch einen anderen Grund. Ich wollte Ihre Schwester heiraten, und das war der einzige Weg. Ich hoffe, daß Sie die Freundschaft zu schätzen gelernt haben, die wir begannen, als ich noch ein Krüppel war.«
Farrell versuchte das alles zu begreifen und richtig einzuordnen. »Sie sind wirklich mit meiner Schwester verheiratet, und Sie sind auch der Vater ihres …«
Erienne errötete, als ihr zögernder Blick auf den Kapitän fiel, den die ganze Szene zu amüsieren schien. Sein Lächeln wurde breiter, als ihr Mann antwortete.
»Sie brauchen Ihre Schießkünste nicht noch weiter zu
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