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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vielen Stimmen deutlich den hellen Ton der Kinder, den Mezzosopran der Frauen und den Baryton der Männer unterscheiden. Dieser biblische Dialog währte etwa eine halbe Stunde und vollzog sich mit ruhigem Ernst und einfacher Würde. Der Kapitän, als erster Gebieter hier nächst Gott, hatte ein Recht auf die Achtung selbst des Gleichgiltigsten aus der Versammlung und war wohl geeignet, dieser Menge gegenüber, die auf unermeßlichen Abgründen schwebte, die Functionen eines Geistlichen zu verrichten. Die Feier würde einen durchaus günstigen Eindruck hinterlassen haben, wenn sie sich hierauf beschränkt hätte aber als der Kapitän schloß, nahm ein Redner seine Stelle ein, der sich von Leidenschaft und Heftigkeit hinreißen ließ, wo Duldung und Sammlung geboten waren.
    Es war dies der bereits erwähnte intrigante, kleine Yankee, einer jener Geistlichen, deren Einfluß in den Staaten Neu-Englands so groß ist. Seine Predigt lag, wie man sofort merkte, durchgearbeitet und auswendig gelernt in seinem Kopfe vor, und er ergriff mit einer gewissen aufdringlichen Dreistigkeit diese Gelegenheit, um sie an den Mann zu bringen. Der liebenswürdige Yorick hätte es jedenfalls genau ebenso gemacht. Ich schaute zum Doctor Pitferge hinüber, aber er hatte keine Miene verzogen und schien entschlossen, das Feuer der Rede über sich ergehen zu lassen.
    Der Geistliche knöpfte gravitätisch seinen Rock zu, legte den seidenen Hut auf den Tisch, zog sein Taschentuch hervor, mit dem er leicht seine Lippen berührte, überflog mit einem schnellen Blick die Versammlung und begann:
    »Im Anfange schuf Gott Amerika in sechs Tagen und ruhte am siebenten.«
    Hierauf zog ich es vor, mich zur Thür hinaus zu machen.
Fußnoten
    1 Eine Art Butterbrode.
Vierzehntes Capitel.
Die schwarze Dame.
    Während des Lunch theilte mir Dean Pitferge mit, daß der Reverend seinen Text herrlich entwickelt habe. Sowohl die unterseeischen Torpedos, wie die Kriegswidder, Monitors und gepanzerten Forts hatten in seiner Rede manoeuvrirt, und er selbst sich mit der ganzen Größe Amerikas breit gemacht. Wenn es Amerika gefällt, so gepriesen zu werden, hülle ich mich in bescheidenes Schweigen.
    Als ich zum nächsten Mal den großen Saal betrat, las ich folgende Notiz:
     
    Lat.
50°8’
N.
    Long.
30‘44’
W.
    Course:
255
miles.
     
    Immer das gleiche Resultat; wir hatten bis jetzt erst 1100 Meilen zurückgelegt inclusive der dreihundertundzehn Meilen, die Fastenet von Liverpool trennen; es war dies ungefähr ein Drittel der Reise. Den ganzen Tag verharrten männliche und weibliche Passagiere wie auch Officiere und Matrosen in derselben Ruhe, wie Gott der Herr nach Erschaffung Amerikas. Nicht ein einziges Clavier ertönte in den Sälen, und weder Schachfiguren noch Karten verließen heute ihre Futterale; der Spielsaal lag gänzlich verödet. An diesem Tage hatte ich Gelegenheit, mein Original, Doctor Dean Pitferge dem Hauptmann Corsican vorzustellen; Letzterer unterhielt sich ausgezeichnet bei Mittheilung der Geheimchronik unseres Steamers. Es kam Pitferge darauf an, zu beweisen, daß der Great-Eastern ein bezaubertes und verdammtes Schiff sei, das auf irgend eine verhängnißvolle Weise Unglück haben müsse. Die Sage von dem zusammengeschweißten Maschinenbauer gefiel Corsican ganz besonders, aber obgleich er als Schotte sehr für alles Wunderbare schwärmte, konnte er doch ein ungläubiges Lächeln nicht unterdrücken.
    »Ich sehe, hub Doctor Pitferge an, daß Herr Hauptmann Corsican der Wahrheit meiner Aussagen nicht unbedingt traut.
    – Nicht unbedingt? das wäre schon viel behauptet! versetzte Archibald.
    – Werden Sie vielleicht mehr Glauben in meine Worte setzen, wenn ich Ihnen auf das Bestimmteste versichere, daß es in jeder Nacht auf diesem Schiffe spukt? fragte der Doctor plötzlich in ernsterem Tone.
    – Wie? rief Corsican, also auch Gespenster mischen sich in diese Unglücksgeschichten? Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie solchen Unsinn wirklich für wahr halten?
    – Ich halte für wahr, was mir glaubwürdige Leute erzählen, und die Aussage mehrerer wachthabender Officiere und Matrosen stimmten darüber überein, daß eine vage Gestalt, ein dunkler Schatten, in tiefster Nacht hier auf und nieder geht. Wie er hierher kommt? Niemand weiß es, und ebenso wenig kann sich irgend Jemand erklären, wie er wieder verschwindet.
    – Beim heiligen Dunstan! rief der abenteuerlustige Officier, ich schlage vor, daß wir dem Gespenst nachspüren.
    –

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