Eine skandalöse Versuchung
anfangen konnte. Der Verkauf hatte sie nicht überrascht.
Anscheinend waren Trentham und seine Freunde mit Lord March bekannt. Vermutlich waren Seine Lordschaft wie auch Trentham gerade in diesem Moment damit beschäftigt, sich auf eine lange Nacht im Trubel der Stadt vorzubereiten.
Leonora lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und rüttelte mühsam an der kleinen Schublade unterhalb der Tischplatte, die beharrlich klemmte. Als sie sie endlich geöffnet hatte, fiel ihr Blick auf einen großen, schweren Schlüssel, der halb unter alten Zetteln und Notizen begraben lag.
Sie nahm den Schlüssel und legte ihn vor sich auf den Tisch.
Hatte Trentham wohl daran gedacht, die Schlösser auswechseln zu lassen?
3
Er wollte kein Risiko eingehen und verzichtete darauf, ein Streichholz anzuzünden, um auf die Uhr zu sehen. Stoisch lehnte Tristan sich in einer etwas bequemeren Position gegen die Pförtnerloge in der Eingangshalle. Und wartete.
Um ihn herum lag der unfertige Bastion-Klub in tiefer Stille. Und Leere. Draußen wehte ein bitterkalter Wind, der den Schneeregen heftig gegen die Fenster schlagen ließ. Es musste bereits nach zehn sein; bei derartig frostigen Wetterverhältnissen würde der Einbrecher kaum länger als bis Mitternacht auf sich warten lassen.
Bis vor Kurzem war Tristan solches Warten - reglos im Dunkeln zu verharren - gewohnt gewesen, sei es um einen Verbindungsmann
zu treffen oder um irgendwelche obskuren Handlungen zu beobachten; er hatte noch nicht verlernt, wie man sich die Zeit recht mühelos vertrieb. Wie man seinen Geist bewusst vom Körper trennte und völlig reglos wartete - jederzeit bereit, unvermittelt in die Gegenwart zurückzukehren, wenn die geschärften und konzentrierten Sinne auch nur die kleinste Bewegung vermeldeten -, während die Gedanken, die einen gleichwohl wach und beschäftigt hielten, zugleich ganz woanders waren.
Doch heute Abend war er alles andere als glücklich mit der Richtung, die seine Gedanken ganz unwillkürlich einschlugen. Leonora Carling stellte eine unfehlbare Ablenkungsquelle dar; er hatte die meiste Zeit des Tages damit zugebracht, sich selbst einzureden, wie überaus unklug es war, die sinnlichen Reaktionen, die er in ihr auslöste - und sie im Gegenzug in ihm, nur noch um ein Vielfaches stärker -, weiterhin zu forcieren.
Ihm war durchaus bewusst, dass sie diese Signale nicht richtig zu deuten wusste. Dass sie die Gefahr nicht erkannte, obwohl sie so feinfühlig darauf reagierte. Normalerweise hätte so viel Unschuld seiner Lust eher Abbruch getan; doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund wurde sein Appetit bei ihr nur noch mehr angeregt.
Ihre ungeheure Anziehungskraft stellte eine unerwartete Komplikation dar, die er zurzeit wahrhaftig nicht gebrauchen konnte. Er musste sich eine Ehefrau suchen, und zwar schleunigst; eine sanfte, verträgliche, fügsame Frau, die ihm keinen Moment lang Kopfzerbrechen bereiten würde, die seine Haushalte in die Hand nahm, seine ältlichen Anverwandten in Schach hielt und sich ansonsten darauf beschränkte, ihm Kinder zu schenken und diese großzuziehen. Er erwartete gar nicht, dass sie viel Zeit mit ihm verbringen würde; er war so lange auf sich allein gestellt gewesen, dass er diesen Zustand inzwischen regelrecht zu schätzen gelernt hatte.
In Anbetracht der knappen Gnadenfrist aus dem unsäglichen Testament seines Großonkels, die beharrlich, Minute für Minute, verstrich, durfte er es keineswegs zulassen, sich von seiner Suche
abbringen zu lassen - schon gar nicht von einer unabhängigen, willensstarken, kratzbürstigen Furie, die vermutlich freiwillig unvermählt geblieben war und die nicht nur eine spitze Zunge besaß, sondern obendrein - wann immer sie sich entschloss, davon Gebrauch zu machen - eine eiskalte Arroganz.
Er hatte keinerlei Anlass, irgendeinen Gedanken an sie zu verschwenden.
Und doch konnte er es nicht lassen.
Er entlastete einen Moment lang seine Schulter, um sich dann erneut anzulehnen. Er war in letzter Zeit so damit beschäftigt gewesen, sein unerwartetes Erbe angemessen zu verwalten und sich an die Horde älterer Damen zu gewöhnen, die ihm tagtäglich um die Beine lief und nicht nur seine Häuser in Anspruch nahm, sondern überdies sein Leben erheblich verkomplizierte, ganz zu schweigen von dem lastenden Problem, eine Ehefrau zu finden, dass er sich um eine Geliebte oder anderweitige sexuelle Betätigungen kaum Gedanken gemacht hatte.
Was, rückwirkend betrachtet, wohl nicht gerade
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