Eine Socke voller Liebe
schmunzelte, „eher
erleichtert. Aber, er ist schon ein Tausendsassa. Und eigentlich ist er wohl
doch nicht so ein oberflächlicher Typ, wie ich zuerst gedacht habe.“
„Man sieht den wenigsten Menschen an, was wirklich in ihnen
vorgeht.“
„Ja, und das ist sicherlich auch gut so.“
Die Kathedrale war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Freundinnen
saßen eng nebeneinander zwischen vielen hundert Kirchenbesuchern.
Eine Nonne stellte sich ans Mikrophon und sang mit heller,
klarer Stimme „Laudate Dominum, omnes gentes, Halleluja!“. Die einfache und
doch wunderschöne Melodie dieses Refrains musste einige Male von allen
Kirchenbesuchern wiederholt werden, bis die Vorsängerin mit dem Ergebnis
zufrieden war.
Das Hochamt begann.
Gewaltig und feierlich erklang die Orgelmusik. Menschen aus
vielen verschiedenen Nationen, Pilger aus der ganzen Welt sangen gemeinsam die
Messe in lateinischer Sprache. Die Freundinnen waren mit ganzem Herzen dabei.
Die Musik löste Emotionen aus und Tränen rannen über ihre
Wangen. Es waren Tränen der Dankbarkeit und des Glücks, der Hoffnung und
Zuversicht. Tränen, die Kraft gaben. Endlich hatten auch Sabine und Andrea das
Gefühl, am Ziel ihrer Pilgerreise angekommen zu sein.
Sabine nahm ihren roten und grünen Besenstiel fest in die
Hand und beschloss, ihre beiden Helfer in der Marienkapelle abzustellen. Die
kann von mir aus in den Müll werfen wer will, ich kann das nicht, dachte sie
dabei.
Ein Priester verlas die Anzahl der heute registrierten
Peregrinos aus den verschiedenen Ländern und Erdteilen. Es waren nur zwei
deutsche Frauen dabei. Die Freundinnen sahen sich an und waren sich einig: Das
können nur wir beide sein.
Während das feierliche Santiagolied kraftvoll von der Orgel
schallte und die gravitätische Musik die Freundinnen ein ums andere Mal
erschauern ließ, wurde das große Weihrauchfass durch die Kirche geschwenkt.
Sechs Männer hängten sich immer wieder an das 35 Meter lange Seil, um den
Botafumeiro durch den 94 Meter langen Kirchenraum zu schwenken.
Der Pilgergottesdienst war zu Ende.
„Jetzt hatte ich doch noch mein Spektakel“, flüsterte Sabine
lächelnd in Andreas Ohr.
„Ja, wenn auch die Pauken und Trompeten gefehlt haben“,
erwiderte die Freundin leise.
„Aber schön war’s trotzdem.“
„Das finde ich auch. So erhabene Orgelmusik hat schon etwas
sehr Erbauliches, und das Feierliche gehörte jetzt einfach dazu. Das haben wir
uns verdient.“
Beim Verlassen des Gotteshauses stießen die Freundinnen fast
mit zwei Männern zusammen, die die Kirche gerade betreten wollten. Bernard und
Ronan.
„Das ist eine große Freude, euch zu sehen!“, strahlte Bernard
die Frauen an und umarmte sie mit einer lockeren Herzlichkeit, die sie
erstaunte.
Ronan drückte ihnen eher zurückhaltend, aber fest die Hand.
„Gut siehst du aus!“, machte Andrea dem Holländer ein
Kompliment, „rank und schlank und braun gebrannt.“
„Ja, acht Kilos habe ich verloren“, verkündete er stolz.
„Hast du es geschafft, mit Ronan von Sarria bis hierher zu
laufen?“
„Ja. Das hatte ich vorher nicht gedacht. Aber Ronan hat mich
immer so viel Mut gemacht“, lachte er seinen neuen Freund an und klopfte ihm
dabei anerkennend auf die Schulter. Er blickte ihn einen Moment fragend an und
als Ronan fast unmerklich nickte, erzählte er weiter: „Ronan will kommen zu mir
nach Holland für immer, in ein paar Monate. Da haben wir es einfacher zu leben
als in Irland.“
„Das ist ja eine schöne Nachricht“, sagte Sabine, „und ich
freue mich riesig, dass es dir jetzt so gut geht.“
„Ja, als wir dich in Roncesvalles zum ersten Mal gesehen
haben, da warst du nicht besonders gut drauf“, erinnerte Andrea sich.
„Stimmt, die ersten Wochen ging es mir sehr schlecht. Aber
jetzt bin ich happy mit das Ronan.“
„Yes, we’ve found us here and the camino is
our happiness“, fügte Ronan lachend hinzu.
Es war schön, die beiden Männer so glücklich zu sehen.
Andrea und Sabine umarmten sie herzlich und wünschten ihnen
alles Liebe und Gute für ihre gemeinsame Zukunft.
Dann stürzten sie sich in das turbulente Treiben der
historischen Altstadt. Das gelbliche Licht der Straßenlaternen verlieh den
alten Häusern eine urige Gemütlichkeit. Pilger, Touristen und spanische
Studenten bevölkerten die schönen Gassen bis spät in die Nacht. Immer wieder
wurden die Freundinnen von anderen Peregrinos herzlich begrüßt.
„Diese Freude, die von den meisten
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