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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ein. »Ich bin entzückt.«
    »Nun sag mir aber, was ich sonst für dich tun kann.« Sie schlenderten die leichte Steigung am anderen Ufer hinauf. »Ich bin auf der Suche nach einer Stellung, die meinen Interessen entspricht und mir etwas Geld einbringt, damit ich finanziell unabhängiger bin. Mir ist natürlich klar«, warf Edith hastig ein, »daß ich kaum genug verdienen werde, um völlig selbständig für mich zu sorgen. Aber schon ein kleiner Zuschuß zu meinem gegenwärtigen Taschengeld würde mir sehr viel mehr Freiheit verschaffen. Der Hauptgrund ist allerdings, daß ich es einfach nicht länger aushalte, zu Hause zu sitzen und Stickereien zu machen, die niemand braucht, Bilder zu malen, für die es weder Platz noch gute Gründe zum Aufhängen gibt, und endlose, idiotische Banalitäten mit Mamas Gästen auszutauschen. Ich vergeude damit nur meine Zeit.«
    Hester antwortete nicht sofort. Sie begriff Ediths Situation vollkommen. Sie war auf die Krim gegangen, um ihren Teil zum Kriegsgeschehen beizutragen, um es den Männern etwas erträglicher zu machen, die da frierend, hungernd und an ihren Wunden und Infektionen sterbend in Sewastopol dahinsiechten. Und sie war überstürzt nach Hause zurückgekehrt, als sie von dem tragischen Tod ihrer Eltern erfahren hatte. Kurz darauf war ihr klar geworden, daß kein Geld mehr vorhanden war. Und obwohl sie die Gastfreundschaft ihres noch lebenden Bruders und seiner Frau dankend angenommen hatte, konnte dieses Arrangement nicht von Dauer sein. Charles und Imogen hätte es nichts ausgemacht, aber für Hester war die Situation unhaltbar. Sie wollte ihren eigenen Weg finden und sich in der ohnehin schwierigen Lage der beiden nicht noch als zusätzliche Last aufbürden.
    Mit Feuereifer hatte sie bei ihrer Heimkehr das Krankenpflegewesen in England reformieren wollen, wie Miss Nightingale es auf der Krim getan hatte. Die meisten Frauen, die an ihrer Seite gedient hatten, waren für dieses Ziel eingetreten, und das mit der gleichen Inbrunst.
    Doch wie das Leben so spielte, hatte Hesters erste und einzige Anstellung in einem Krankenhaus mit fristloser Entlassung geendet. Das Medizinalwesen war nicht besonders erpicht darauf, reformiert zu werden, am wenigsten von überheblichen jungen Frauen, sprich von Frauen allgemein. Machte man sich klar, daß noch keine Frau jemals Medizin studiert hatte und ein solcher Gedanke auch völlig unvorstellbar war, war dieser Umstand nicht weiter verwunderlich. Schwestern hatten im großen und ganzen von nichts eine Ahnung; sie wurden lediglich eingestellt, um Verbände zu wechseln, Handlangerfunktionen auszuführen, Staub zu wischen, zu kehren, Feuerstellen anzuheizen, Exkremente zu beseitigen, für gute Laune und über jeden Zweifel erhabene Moral zu sorgen.
    »Was meinst du dazu?« riß Edith sie aus ihren Gedanken. »So aussichtslos kann dieser Kampf doch gar nicht sein.« Ihr Ton klang heiter, aber ihr Blick war ernst; er enthielt sowohl Hoffnung als auch Furcht, und Hester sah deutlich, wie wichtig es ihr war.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie nüchtern. »Aber es ist nicht einfach. Die meisten Stellungen, die für Frauen zugänglich sind, sind so beschaffen, daß du einer Gängelung und Gönnerhaftigkeit ausgesetzt wärst, die du wahrscheinlich nicht aushalten würdest.«
    »Du hast es geschafft«, gab Edith zu bedenken.
    »Nicht wirklich. Und die Tatsache, daß du nicht von der Anstellung abhängig bist, wird deinen Worten die Schärfe nehmen, die meine hatten.«
    »Was bleibt mir dann?«
    Sie standen wieder auf dem Kiesweg, der durch die Blumenbeete führte. Ein paar Meter links von ihnen tollte ein Kind mit einem Reifen herum, rechts spielten zwei kleine Mädchen in weißen Trägerröcken.
    »Ich weiß nicht genau, aber ich werde mich damit auseinandersetzen«, versprach Hester. Sie betrachtete Ediths blasses Gesicht, sah den bekümmerten Ausdruck in ihren Augen. »Es gibt bestimmt etwas. Du hast eine schöne Schrift, außerdem sprichst du doch fließend Französisch, nicht? Stimmt, das hast du mir mal erzählt. Ich werde mich umhören und dir in einigen Tagen Bescheid geben. Sagen wir, in einer Woche. Nein, vielleicht brauche ich etwas länger, denn ich möchte, daß die Antwort so befriedigend wie möglich ausfällt.«
    »Übernächsten Samstag?« schlug Edith vor. »Das wäre der zweite Mai. Komm doch zum Tee zu uns.«
    »Soll ich wirklich?«
    »Ja, natürlich. Wir werden unsere gesellschaftlichen Aktivitäten zwar noch nicht

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