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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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gut fertig geworden.
    Es hat eine Weile gedauert, bis ich herausgefunden hatte, wo meine beiden Gentlemen lebten; aber ich habe gefragt und gefragt, bis ich sie schließlich hatte. Sie waren in einer Pension in Camberwell, drüben, auf dem anderen Flußufer. Als ich sie erst gefunden hatte, wußte ich, daß sie mir ausgeliefert waren. Ich hatte meinen Bart wachsen lassen, also konnten sie mich auf keinen Fall erkennen. Ich wollte wie ein Hund hinter ihnen her sein, bis ich endlich meine Gelegenheit sah. Ich war entschlossen, sie nicht noch einmal entkommen zu lassen.
    Und trotzdem hätten sie das fast geschafft. Wohin sie auch immer in London gegangen sind, ich war ihnen auf den Fersen. Manchmal bin ich ihnen mit meiner Droschke gefolgt, manchmal zu Fuß, aber mit der Droschke war es am besten, weil sie mir dann nicht entkommen konnten. Nur ganz früh morgens oder spät abends konnte ich etwas verdienen, und allmählich bin ich meinem Dienstherrn gegenüber in Verzug geraten. Das war mir aber gleich, solange ich nur die beiden Männer, die ich haben wollte, in die Hände bekommen konnte.
    Aber sie waren sehr schlau. Sie müssen sich gedacht haben, daß sie vielleicht verfolgt wurden, sie sind nämlich nie allein ausgegangen, und nach Einbruch der Dunkelheit überhaupt nicht. Zwei Wochen lang bin ich jeden Tag hinter ihnen hergefahren, aber ich habe sie nie getrennt voneinander gesehen. Drebber war die halbe Zeit betrunken, aber Stangerson war immer auf der Hut. Ich habe sie von früh bis spät beobachtet und nie auch nur den Hauch einer Möglichkeit gesehen; ich habe mich aber nicht entmutigen lassen, weil mir irgendwas gesagt hat, daß die Stunde fast gekommen war. Meine einzige Befürchtung war, daß dieses Ding in meiner Brust ein bißchen zu früh birst und ich die Arbeit nicht beenden kann.
    Eines Abends endlich, als ich die Torquay Terrace ‘rauf und ‘runter fahre – so heißt die Straße, wo ihre Pension war –, sehe ich eine Droschke vor der Tür halten. Bald wird Gepäck ‘rausgebracht, und nach einiger Zeit kommen Drebber und Stangerson hinterher und fahren weg. Ich gebe meinem Pferd die Peitsche und bleibe in Sichtweite und fühle mich gar nicht wohl, weil ich Angst habe, daß sie das Quartier wechseln. An der Euston Station steigen sie aus, und ich schnappe mir einen Jungen, der auf mein Pferd aufpaßt, und folge ihnen auf den Bahnsteig. Ich höre, wie sie sich nach dem Zug nach Liverpool erkundigen und der Wachmann sagt, daß gerade einer abgefahren ist und der nächste erst in ein paar Stunden geht. Stangerson scheint das überhaupt nicht zu gefallen, aber Drebber freut sich offenbar darüber. Im Gedränge komme ich so nah an sie heran, daß ich jedes einzelne Wort hören kann, das sie miteinander wechseln. Drebber sagt, er hat noch etwas zu erledigen, und wenn der andere wartet, wird er bald wieder zu ihm stoßen. Sein Gefährte macht ihm Vorwürfe und erinnert ihn daran, daß sie zusammenbleiben wollen. Drebber antwortet, daß die Sache, um die es geht, heikel ist, und daß er allein gehen muß. Was Stangerson daraufhin sagt, kann ich nicht verstehen, aber der andere fängt an zu fluchen und erinnert ihn daran, daß er nicht mehr ist als sein bezahlter Diener und sich nicht einbilden soll, er kann ihm etwas befehlen. Daraufhin gibt der Sekretär auf und handelt nur noch mit ihm aus, daß sie sich, wenn er den letzten Zug versäumt, in Hallidays Pension treffen sollen; Drebber sagt darauf, er wird vor elf Uhr wieder auf dem Bahnsteig sein, und geht aus dem Bahnhof.
    Da war der Moment, auf den ich so lange gewartet hatte, endlich gekommen. Ich hatte meine Feinde in der Hand. Zusammen konnten sie sich gegenseitig verteidigen, aber einzeln waren sie mir ausgeliefert. Ich habe mich aber nicht zu überstürztem Handeln hinreißen lassen. Meine Pläne hatte ich längst gemacht. Rache ist unbefriedigend, wenn der Schuldige keine Zeit hat, zu begreifen, wer ihn da trifft und warum Vergeltung über ihn kommt. Ich hatte meine Pläne so gemacht, daß ich die Möglichkeit haben würde, dem Mann, der mir Unrecht zugefügt hatte, klarzumachen, daß seine alte Sünde ihn eingeholt hatte. Zufällig hatte ein paar Tage vorher ein Gentleman, der sich um einige Häuser in der Brixton Road kümmern mußte, den Schlüssel zu einem von ihnen in meinem Wagen verloren. Noch am selben Abend hat er sich danach erkundigt, und ich habe ihn zurückgegeben; aber in der Zwischenzeit hatte ich einen Abdruck davon gemacht und

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