Voodoo in London
Es war eine Nacht, in der das Unheil triumphierte. Dies spürte Mac, der dunkelhäutige Taxifahrer, sehr genau. Selten hatte er so verkrampft hinter dem Lenkrad gesessen, obwohl es eigentlich gar nichts gab, das ihn hätte beunruhigen können.
Dennoch fürchtete er sich.
Vielleicht war es das Ziel seiner Fahrt. Telefonisch war er in den Osten bestellt worden Zwar stammte er aus diesem Teil Londons, aber gern fuhr er dort nicht hin. Vor einigen Jahren war er mit seiner Familie weggezogen Ein Gewinn beim Bingo hatte ihm dies ermöglicht. Es blieb sogar noch Geld übrig, um sich ein Taxi zu kaufen, und Mac hatte sogar die schwierige Prüfung bestanden, der sich jeder neue Taxifahrer unterziehen muss, wenn er eine Fahrerlaubnis haben möchte. Das alles lag hinter ihm. Mit der bestandenen Prüfung hatte er auch seine Vergangenheit abschütteln wollen. Sie blieb zurück im Londoner Osten, in den Ghettos, wo die Chicos, zu denen er sich auch einmal gezählt hatte, auf engsten Räumen hausten und von der Wohlfahrt oder von kleineren Verbrechen lebten.
Es war eine verdammte Gegend, in die er musste, aber die Fahrt brachte Geld.
Und noch einen Grund gab es, dass er nicht abgesagt hatte. Dieser Grund hatte einen Namen. King Grenada!
Man sprach nur flüsternd über ihn. Es gab Leute, die behaupteten, dass er überhaupt nicht existierte, aber Mac wusste es besser. Er hatte diesen Menschen schon gesehen, der sich selbst als König unter den Chicos bezeichnete und den Osten regierte.
Selbst die allgewaltige Mafia, mit Logan Costello an der Spitze, ließ aus diesem Gebiet ihre Finger, denn der Osten gehörte allein King Grenada. Wenn er befahl, spurten die anderen, und auch Mac wusste, dass er ihm gehorchen musste, denn Grenadas Männer würden ihn überall finden. Sie waren nicht nur gnadenlose Mörder, in ihnen sollte die Kraft des Teufels stecken, denn King Grenada war vor seiner Londoner Zeit auf den Bahamas ein berüchtigter Totenpriester, ein Voodoo-König, gewesen, dem man nachsagte, dass er Leichen durch einen unheilvollen Zauber wieder zum Leben erwecken konnte.
In der Nacht dröhnten dumpf die Trommeln. Von den Adepten des Totenpriesters wurden sie geschlagen und erweckten die Leichen in ihren feuchten Gräbern.
Der Voodoo-Schrecken war mit Worten kaum zu beschreiben, zu grausam, bizarr und irreal war er.
Mac fuhr weiter. Auf der Horseferry Road rollte er dahin und näherte sich bereits der Lambeth Bridge. Sie wollte er nehmen, um die Themse zu überqueren.
Es herrschte noch ziemlich viel Verkehr. Die Außengeräusche kamen dem Fahrer seltsam dumpf und auch unwirklich vor, als würde er nicht durch die Nacht rollen, sondern in einem geisterhaften Schlund stecken der alles in die Tiefe zog.
Und dieser Schlund war ausgefüllt mit seltsamen Dämpfen, die sich im Licht der beiden Scheinwerfer zu Spiralen und Figuren drehten. Das stimmte natürlich nicht. Es war nur der Nebel, der vom Ufer des Flusses her in die Höhe stieg und sich träge in den Niederungen ausbreitete, wobei er auch die Fahrbahn überwallte.
Auf der Brücke fuhr Mac noch langsamer. Hier hatte sich der Nebel verdichtet.
Vor ihm rollte ein Lastwagen dahin. Seine roten Heckleuchten zerfaserten und glichen unheimlichen Voodoo-Feuern in der Schwärze der Nacht.
Wieder musste Mac daran denken. Über seinen breiten Rücken rann eine Gänsehaut. Die Lippen zuckten, er schluckte ein paar Mal. Vergeblich versuchte er, die Gedanken abzuschütteln, es wollte ihm einfach nicht gelingen. Die schaurige Zauberkunst der Karibik hielt ihn in ihrem Bann.
Voodoo in London!
Das konnte er sich überhaupt nicht vorstellen Dafür brauchte man die schwülen Nächte, den Vollmond, der über den gebogenen Wipfeln der Palmen stand und den lebenden Leichen Kraft spendete.
»Nein!« flüsterte er, »das kann es nicht geben. Ich mache mich da selbst verrückt…«
Schon bald fuhr er auf der Lambeth Road in Richtung Osten. Jetzt hatte er es nicht mehr weit, die Gegend würde bald mieser werden, bereits hinter dem St George's Circus fing es an.
Mac konnte schneller fahren und musste sich auch stärker auf den Verkehr konzentrieren. Er nahm sich vor, dass dies seine letzte Fahrt in dieser Nacht sein würde. Er wollte den Fahrgast abliefern und dann Feierabend machen.
Es war eine finstere Nacht. Geschaffen für ungesetzliche Dinge. Hinzu kam die Kälte, die die letzten ziemlich warmen Novembertage abgelöst hatte. Sie schien in der Luft zu kleben, und die Bäume hatten nach
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