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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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vereitelt worden, und abermals trieb sein zielgerichteter Haß ihn dazu, die Verfolgung fortzusetzen. Ihm fehlten jedoch die Mittel, und so mußte er wieder einige Zeit lang arbeiten und sparte jeden Dollar für seine näherrückende Reise. Als er endlich genug zusammengebracht hatte, sich am Leben zu erhalten, reiste er nach Europa ab und folgte der Spur seiner Feinde von Stadt zu Stadt, nahm die niedrigsten Arbeiten an, um Weiterreisen zu können, aber niemals holte er die Flüchtigen ein. Als er Sankt Petersburg erreichte, waren sie nach Paris aufgebrochen, und als er ihnen dorthin folgte, erfuhr er, daß sie soeben nach Kopenhagen abgereist waren. In der dänischen Hauptstadt kam er wieder einige Tage zu spät, denn sie hatten sich nach London aufgemacht, wo es ihm endlich gelang, sie zu stellen. Was nun die dortigen Ereignisse angeht, können wir nichts Besseres tun, als den Bericht, den der alte Jäger selbst abgab, so zu zitieren, wie er in Dr. Watsons Journal, dem wir schon so viel verdanken, getreulich verzeichnet ist.
13. Fortgang der Erinnerungen von John Watson M.D.
    Die wütende Gegenwehr unseres Gefangenen schien nicht auf grimmige Abneigung uns gegenüber zurückzuführen zu sein, denn als er feststellte, daß er machtlos war, lächelte er umgänglich und gab seiner Hoffnung Ausdruck, keinen von uns im Handgemenge verletzt zu haben. »Ich schätze, Sie bringen mich jetzt zum Polizeirevier«, bemerkte er, an Sherlock Holmes gewandt. »Meine Droschke steht vor der Tür. Wenn Sie meine Beine losbinden, werde ich hinunter gehen können. Ich bin nicht mehr so leicht zu tragen wie früher einmal.«.
    Gregson und Lestrade tauschten Blicke aus, als hielten sie diesen Vorschlag für reichlich unverfroren; Holmes jedoch nahm den Gefangenen sogleich beim Wort und entfernte das Handtuch, das er ihm um die Knöchel gebunden hatte. Der Mann erhob sich und dehnte seine Beine, als wolle er sich vergewissern, daß sie tatsächlich wieder frei waren. Ich entsinne mich, daß ich, während ich ihn beobachtete, dachte, daß ich selten einen kräftiger gebauten Mann gesehen hatte; und sein dunkles, sonnverbranntes Gesicht zeigte einen Ausdruck von Entschlossenheit und Energie, der ebenso beeindruckend war wie seine Körperkräfte.
    »Wenn es eine freie Stelle für einen Polizeichef gibt, schätze ich, Sie sind der richtige Mann dafür«, sagte er; dabei musterte er meinen Mitbewohner mit unverhohlener Bewunderung. »Wie Sie mir auf der Spur geblieben sind, das war schon erstklassige Arbeit.«
    »Sie sollten wohl besser mit mir kommen«, sagte Holmes, zu den beiden Detektiven gewandt.
    »Ich kann fahren«, sagte Lestrade.
    »Gut, und Gregson kann mit einsteigen. Sie auch, Doktor.
    Sie haben sich für den Fall interessiert und können ebenso gut bis zum Ende dabeibleiben.«
    Ich stimmte nur zu gern zu, und wir gingen alle gemeinsam die Treppe hinab. Unser Gefangener machte keinen Versuch zu entkommen, sondern stieg ruhig in die Droschke, die die seine gewesen war, und wir folgten ihm. Lestrade klomm auf den Bock, trieb das Pferd mit der Peitsche an und brachte uns innerhalb kürzester Zeit zu unserem Ziel. Man führte uns in einen kleinen Raum, in dem ein Polizeiinspektor den Namen unseres Gefangenen und die Namen der Männer notierte, die ermordet zu haben er beschuldigt wurde. Der Beamte war ein blaßgesichtiger Mann ohne Gefühlsregungen, der seine Pflichten stumpf und mechanisch erfüllte. »Im Lauf der Woche wird der Gefangene dem Polizeirichter vorgeführt«, sagte er. »Mr. Jefferson Hope, haben Sie den Wunsch, schon vorher irgendeine Aussage zu machen? Ich muß Sie allerdings darauf aufmerksam machen, daß Ihre Worte notiert werden und gegen Sie verwendet werden können.«
    »Ich habe eine ganze Menge zu sagen«, meinte unser Gefangener langsam. »Ich möchte den Gentlemen alles erzählen.«
    »Sollten Sie sich das nicht besser für Ihr Verfahren aufheben?« fragte der Inspektor.
    »Vielleicht gibt es gar kein Verfahren«, erwiderte er. »Sehen Sie mich nicht so erschrocken an. Ich denke nicht an Selbstmord. Sind Sie Arzt?« Bei dieser letzten Frage wandte er mir seine grimmigen dunklen Augen zu.
    »Ja«, antwortete ich.
    »Dann legen Sie Ihre Hand hierhin«, sagte er lächelnd; dabei deutete er mit seinen gefesselten Händen auf seine Brust.
    Ich kam seinem Wunsch nach und nahm sogleich ein außerordentliches Pochen und Tosen wahr. Sein Brustkorb schien zu zittern und zu beben wie ein zerbrechliches Gebäude, in dem

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