Eroberer der Unendlichkeit
1.
Ich hatte mit der Mars-Post zu tun, die eben hereingekommen war, als mich die Nachricht von Brett Gryce erreichte.
Ich hatte nicht den Eindruck, daß es sich um eine Geheimsache handelte, denn schließlich benutzte er einen öffentlichen Kanal. Aber seine Stimme wirkte angespannt, und seine Worte hatten etwas Drängendes.
»Brett, ich kann erst kommen, wenn ich mit der Post durch bin.«
»Und wie lange dauert das?«
»Ich weiß nicht. Sie ist verdammt stark. Und das meiste muß per Funk weitergegeben werden. Diese Marsianer haben es immer eilig.«
»Komm, sobald du kannst«, sagte er.
»Heute abend?«
»Ja, heute abend. Egal wie spät – ich muß mit dir sprechen, Frank.«
»Also gut, ich komme«, versprach ich.
Trinacht war längst vorbei, und der erste Lichtstreifen zeigte sich hinter dem Mauerwerk von Groß-New-York, als ich endlich mit diesen elenden Mars-Sendungen fertig war. Die Gryces lebten im Südpennsylvania-Gebiet. Ich hatte zwar meinen Aerowagen bei mir, aber ich entschied mich für den pneumatischen Dienst, da es eine kleine – übrigens selten benutzte – Abzweigung gab, die mich etwa zwanzig Meilen entfernt von den Gryces absetzen würde.
Man gab mir einen Einzelzylinder mit Bett, falls ich schlafen wollte. Ich schlief nicht. Ich lag da und fragte mich, was Brett von mir wollte – und ich freute mich, daß ich Francine wiedersehen würde.
Hin und wieder rief ich den Schaltvorstand an. Diese Leute sind gerade mit Sonderzylindern oft recht leichtsinnig, und ich hatte keine Lust, meine Abzweigung zu verpassen und in irgendeiner Endstation zu landen. Meist dauerte es einen ganzen Vormittag, bis man wieder zurückgeleitet wurde. Einmal sprach ich auch mit Brett. Wir verabredeten, daß er mich an der Abzweigung mit seinem Aerowagen erwarten würde.
Die Verbindung klappte tadellos, aber es war heller Tag, als ich endlich ausstieg. Brett wartete bereits ungeduldig. Und nach ein paar Minuten landeten wir auf dem Aeroplatz neben dem Haus der Gryces.
Es war ein bescheidenes Heim – trotz Dr. Gryces vielgerühmtem Reichtum. Ein Grundstück von ein paar Quadratkilometern mit einem dichten kleinen Wäldchen und umgeben von einer hohen Metallmauer.
Das Granithaus selbst war klein und anspruchslos. Man sah noch ein paar Nebengebäude, darunter ein großes rechteckiges Ding, das eine Werkstatt darstellte. Ich war noch nie darin gewesen.
Ich wußte, daß der alte Dr. Gryce sich mit Naturwissenschaften beschäftigte. Zu seiner Zeit hatte er die Zivilisation durch verschiedene grundlegende Entdeckungen um ein paar entscheidende Schritte vorwärtsgebracht.
Brett sagte mir nur, daß sein Vater vorgeschlagen hätte, mich zu holen.
Dr. Gryce begrüßte mich mit seiner bekannten Herzlichkeit. Obwohl ich die Familie selten besuchte (meine Tätigkeit bei der Interplanetarischen Post war scheußlich unterbezahlt und hemmte mich in meiner Bewegungsfreiheit), zählte ich die Gryces doch zu meinen besten Freunden.
»Es freut uns, daß Sie gekommen sind, Frank«, sagte Dr. Gryce. »Kommen Sie nach draußen. Frannie macht gerade Frühstück.«
Er war ernst und ruhig wie immer. Aber auch bei ihm spürte ich eine gewisse Anspannung, wenn nicht gar Besorgnis. Und mir fiel seine Müdigkeit auf – er wirkte deprimiert und resigniert. Zum erstenmal merkte man ihm die Last der Jahre an.
Er war ein Mann um die achtzig, aber eigentlich hatte ich ihn nie für alt gehalten. Klein und zierlich wie er war, hielt er sich aufrecht und gerade. Das glattrasierte Gesicht war fast faltenlos. Es wurde geprägt von einem scharfen Verstand und einem kraftvollen Charakter, und nur das volle schlohweiße Haar zeugte vom Lebensalter.
Jetzt allerdings kam Dr. Gryce mir alt vor.
Ich muß ein paar Worte zur Beschreibung der drei Kinder von Dr. Gryce einfügen, die seit ihrer Kindheit ohne Mutter auskommen mußten. Brett war jetzt achtundzwanzig, drei Jahre älter als ich und körperlich der genaue Gegensatz zu mir. Ich bin klein, schmal und ziemlich dunkel. Und – wie ich des öfteren hören muß – nicht gerade ausgeglichen und ruhig. Brett war ein blonder Riese. Welliges blondes Haar, blaue Augen und das kräftig akzentuierte gesunde Gesicht eines Sportlers – so sah Brett Gryce aus.
Die beiden anderen Kinder – Martynn und Francine – waren Zwillinge und mußten um die siebzehn sein. Sie ähnelten sich äußerlich und charaktermäßig, wie es bei Kindern einer Geburt nun einmal üblich ist. Martynn war schlank und
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