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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Hemdbrust einen Derringer zog, der aber meines Wissens eine andere Waffe barg – eine Lähmpistole oder sogar eine Atropos. Außer meiner Angst um Erich und die anderen machte mich das überhaupt ziemlich fertig: wir Gesellschafterinnen mußten wohl mit den Nerven ebenso am Ende sein wie die Soldaten, was wahrscheinlich damit zusammenhing, daß die Spinnen vor zwanzig Schlafperioden jeden kosmischen Urlaub strichen.
    Sid warf Beau seinen Befehlsblick zu und sagte knapp: »Ich erledige das, hitzköpfiger Hurensohn«, und wandte sich dem Nebenversorger zu. Ich bemerk te, daß das Leuchtsignal auf dem Hauptversorger wieder beruhigend rot leuchtete, und ich nahm mir einen Augenblick Zeit, Mamma Devi zu danken, daß die Tür wieder zu war.
    Maud sprang auf und nieder und feuerte die Kampfhähne an – ich weiß nicht, welchen von beiden sie unterstützte, sie sicher auch nicht, möchte ich wetten –, und die Neue war bleich, und ich sah, daß die Säbel nun nüchterner geschwungen wurden. Erichs Klinge zuckte, zuckte und zuckte erneut und zog dem Blonden einige Blutstropfen aus der Wange. Der Blonde griff wild an, Erich sprang zurück, und im nächsten Augenblick schwebten beide hilflos in der Luft, wanden sich dabei hin und her, als hätten sie plötzlich einen Krampf bekommen.
    Ich merkte natürlich sofort, daß Sid im Tür- und La gersektor der Station die Schwerkraft abgeschaltet hatte, während wir im Erholungs- und Krankensektor auf den Füßen blieben. Die Station hat sektionsweise steuerbare Schwerkraft, um unseren außerirdischen Freunden entgegenzukommen – die verrückten AIs brechen manchmal mit ziemlich gemischten Gruppen über uns herein, um sich zu erholen.
    Von seiner Station in der Mitte aus rief Sid freundlich, aber ohne sich auf eine Diskussion einzulassen: »So, Leute, euren Spaß habt ihr gehabt. Jetzt steckt die Schwerter ein!«
    Eine Sekunde lang trieben die beiden schwarzen Husaren dahin und krümmten sich, Erich lachte kurz auf, und gehorchte elegant – der Kommandant war an den freien Fall gewöhnt. Der Blonde krümmte sich nicht mehr und zögerte, während er Erich kopfüber anstarrte und schließlich seinen Säbel in die Scheide praktizierte, obwohl er dabei einen langsamen Salto vollführte. Dann schaltete Sid ihre Schwerkraft wieder ein, allerdings langsam, damit sie sich beim Landen nicht verletzten.
    Erich lachte etwas freier und trat mit schnellem Schritt auf uns zu. Er hielt kurz inne, um dem Neuen fest auf die Schulter zu klopfen und ihn direkt anzusehen.
    »Da hast du jetzt also eine schöne Narbe«, sagte er.
    Der andere wich nicht zurück, blickte aber auch nicht auf, und Erich ging weiter. Sid eilte auf den Neuen zu, und als Erich vorbeikam, ermahnte er ihn mit erhobenem Finger und sagte fröhlich: »Du Schelm.« Und schon verpaßte ich Erich meine »Mann, du bist zu Hause«-Umarmung, und er küßte mich und preßte mir die Rippen zusammen und sagte: » Liebchen! Doppelchen! « – was mir schon recht war, weil ich ihn liebe und ich eine gute Liebhaberin bin und ebensosehr Doppelgänger wie er.
    Wir hatten uns eben voneinander gelöst, um mal wieder Atem zu schöpfen – seine blauen Augen schauten süß aus seinem müden Gesicht –, als hinter uns ein dumpfer Laut ertönte. Bei der nachlassenden Spannung war Doc von seinem Barhocker gefallen, und der Hut war ihm über die Augen gerutscht. Als wir uns umdrehten und über ihn lachten, kreischte Maud plötzlich auf, und wir sahen, daß der Römer geradewegs gegen die Leere gelaufen war und nun mit gleichmäßigen Schritten daran entlangmarschierte, ohne einen Zentimeter weiterzukommen, wie es nun mal so passiert, und seine schwarze Uniform verschmolz mit dem Tief-drinnen-Grau der Leere.
    Maud und Beau eilten herbei, um ihn wieder her auszufischen, was schwierig sein kann. Der dünne Spieler war wieder ganz höfliche Tüchtigkeit. Sid überwachte die Aktion aus der Ferne.
    »Was ist los mit ihm?« fragte ich Erich.
    Er zuckte die Achseln. »Braucht dringend einen Veränderungsschock. Und er war den Lähmpistolen am nächsten. Auch hat ihn fast sein Pferd abgeworfen. Mein Gott, du hättest St. Petersburg sehen sollen, Lieb chen : den Newski-Prospekt, die Kanäle, die wie lange Läufer aus blauem Himmelsstoff vorbeiflogen, ein Kavallerietrupp in Blau und Gold, der zufällig unseren Fluchtweg kreuzte, fünf Frauen in Pelzen und Straußenfedern, ein Mönch mit einem großen Stativ und dem Kopf unter einem Tuch – mir kam das

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