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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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sprechen.«
    »Kriminalpolizei?«, die Frau musterte Bodenstein und Pia scharf. »Der Doktor ist gerade im OP. Ein Notfall. Das kann dauern.«
    »Vielleicht ist es Ihnen möglich, Dr. Kerstner von unserer Anwesenheit in Kenntnis zu setzen«, insistierte Bodenstein höflich, »es ist sehr dringend.«
    Die Frau starrte ihn an, dann wandte sie sich um und marschierte vor ihnen her auf eine Tür am Kopfende des neuen Gebäudes zu. Aus den Hinweisschildern zu schließen, waren hier Empfang, Verwaltung und Klinikapotheke untergebracht.
    »Die sieht ja aus wie Frankensteins Gesellenstück«, murmelte Pia.
    Bodenstein grinste und ließ seiner Kollegin den Vortritt in eine nüchterne, vier Meter hohe Eingangshalle mit weiß gestrichenenWänden und einem hellen Fliesenboden. In der Mitte des Raumes befand sich ein halbrunder Empfangstresen, über die beiden Computerbildschirme flimmerten Bildschirmschoner. An den weiß gestrichenen Wänden hingen gerahmte Diplome, in der Mitte ein großes Foto mit sechs fröhlich dreinblickenden Menschen. Bodenstein blieb stehen und betrachtete das Bild. Er lächelte, als er Inka Hansen in der Mitte erkannte. Die beiden Männer links und rechts von ihr mochten Dr. Kerstner und Dr. Rittendorf sein.
    »Sie können da drin im Wartezimmer warten«, der rothaarige Mops deutete auf eine der Türen. »Kaffee gibt's am Automaten.«
    »Danke«, Bodenstein schenkte ihr ein freundliches Lächeln, das seine Wirkung aber völlig verfehlte. Im Wartezimmer saßen ein älterer Mann und ein junges Mädchen mit verweinten Augen, die aufsprangen, als die Tür aufging. Das mussten die Besitzer des Notfalls sein.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Pia ihren Chef, der sich den zahlreichen gerahmten Fotografien an den Wänden zugewandt hatte.
    »Gerne. Schwarz.«
    Sie holte einen schwarzen Kaffee und reichte ihn Bodenstein. Dann studierte auch sie die Fotos von springenden, bockenden und galoppierenden Pferden, die wohl belegen sollten, wie gesund die ehemaligen Patienten dank der tüchtigen Tierärzte waren, dazu die glücklichen und dankbaren Kommentare ihrer Besitzer. In dem Moment ging die Tür auf. Die Besitzer des Notfallpferdes sprangen wieder wie elektrisiert auf, diesmal zu Recht. Im Türrahmen stand der Mann, den Bodenstein eben auf dem Foto gesehen hatte, aber seitdem das Foto gemacht worden war, hatte sich Dr. Kerstner ziemlich verändert. Über Jeans und Sweatshirt trug er einen grünen Kittel voller Blutspritzer und schien nicht gerade davon angetan,bei seiner Arbeit von der Polizei gestört zu werden. Bodensteins erster Eindruck war, dass der Mann entweder krank oder völlig überarbeitet war. Sein hageres Gesicht wirkte unnatürlich blass und ausgezehrt, unter seinen geröteten Augen lagen dunkle Schatten. Gerade, als Bodenstein sich vorstellen wollte, schoss das verweinte Mädchen an ihm vorbei.
    »Was ist mit Kira?«, rief es mit schriller Stimme. Kerstner starrte sie verwirrt an und schien ein paar Sekunden zu brauchen, um sich daran zu erinnern, wer Kira war.
    »Sie hat die Operation gut überstanden«, sagte er dann. »Wir haben sie jetzt in den Aufwachraum gebracht. Aber es sieht so aus, als ob sie wieder gesund werden könnte.«
    Das Mädchen begann vor Erleichterung zu schluchzen und fiel dem älteren Mann um den Hals.
    »Herr Dr. Kerstner?« Bodenstein zog seine Polizeimarke aus der Tasche und stellte sich und seine Kollegin vor. »Wir würden gerne einen Moment mit Ihnen sprechen.«
    Kerstner warf einen flüchtigen Blick auf die Marke, dann einen fragenden auf die Gesichter der beiden Beamten.
    »Ja, natürlich«, er nickte und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Sie durchquerten den Empfangsraum und gingen gegenüber in eine Art Aufenthaltsraum, in dessen Mitte ein wuchtiger Bauerntisch mit acht schlichten Holzstühlen stand. In einer Ecke des Raumes befanden sich ein Bett, ein Fernseher und eine alte Couch, auf der zwischen ein paar abgeschabten Kissen ein alter Hund lag, der nur kurz den Kopf hob, dann aber wieder uninteressiert die Augen schloss. Kerstner ging um den Tisch herum und ergriff die Lehne eines Stuhles. Entweder war er nicht der Mann, der sich mit unnötigen Höflichkeitsfloskeln aufhielt, oder er war einfach zu erschöpft, um höflich zu sein. Pia ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern. Sie konstatierte Regale voller Aktenordner und Bücher, gerahmte Fotografien und Urkunden unddazwischen ein seltsam altertümlich anmutendes Wappen auf einem wuchtigen Holzbrett. Etwas

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