Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)
Kühlschrank so eingestellt, dass er dieses Zeug nicht mehr bestellen soll. Sven, warst du das?«
Der tat, als könne er sich unmöglich von seinem Carry-Pad losreißen. » Nullo. Wahrscheinlich hast du wieder mal nicht richtig abgespeichert.«
»So, meinst du?« Wahrscheinlich war es eher wieder mal Zeit, das Admin-Passwort für die Küche zu ändern.
Der Mann im Overall reichte Tim hüstelnd ein Faltblatt. »Sie sollten sich allmählich was wegen des Upgrades überlegen. Das jetzige System wird nur noch bis Ende August unterstützt.«
Tim nahm den Prospekt. Er war aufwendig gemacht, mit sich bewegenden Druckbildern, und bot die für die künftige Übertagbelieferung erforderlichen Kühlschränke an. Die musste man in die Außenwand einbauen lassen, damit sie durch den Boten von außen geöffnet und beschickt werden konnten.
»Wie soll das gehen?«, zischte Maren ihm zu. »Wir brauchen den Kühlschrank in der Küche, nicht im Flur!«
»Himmel, ja«, gab Tim zurück. »Was willst du machen? Das Haus ist zehn Jahre alt, da ist eben nicht alles kompatibel. Im schlimmsten Fall haben wir künftig halt zwei Kühlschränke, so dramatisch ist das auch nicht.« Er nickte dem Boten zu. »Wir lassen es uns durch den Kopf gehen.«
Das Frühstück fand unter dräuenden Wolken statt, gerade so, als sei es die persönliche Schuld von Tim Scheuermann, dass als letzter der Lebensmittelkonzerne, zu denen ihr Haushaltssystem kompatibel war, nun auch FoodNet die personalintensiven morgendlichen Belieferungen der Haushalte einstellte. Tim war froh, als er aus dem Haus war.
Das Betriebssystem des Autos brauchte auch jeden Morgen länger zum Hochfahren. Oder war er nervös? Ja, das mit dem Survivaltraining beunruhigte ihn. Weil man so gar nicht wusste, was auf einen zukam.
Endlich konnte er den angegebenen Treffpunkt aus seinem PA ans Navigationssystem überspielen. »Bitte starten und an der nächsten Kreuzung links abbiegen.« Der tägliche Spruch zum Tage, da es von ihrem Wohnblock aus nur diesen einen Weg gab.
Auf der Ringstraße war schon jede Menge los. Tim ließ den Wagen sich ins Selbstfahrsystem einklinken und rief die wartenden Mitteilungen ab, die von Jason zuerst. Der hatte Stress mit den n5-Optionen, dem neuesten Schrei am Kapitalmarkt – Optionen auf Optionen auf Optionen und so weiter; ein wahnwitzig empfindlicher Markt, der schon ins Zittern kam, wenn ein wichtiger Industrieboss die linke statt der rechten Augenbraue hob. Tim diktierte eine Mitteilung an Estelle Jourdan, Peter de Hoof anzuweisen, bei Dana Chamberlain die Firmendaten abzurufen, die Jason brauchte. Trotz aller Vernetzung kam man eben immer noch nicht ohne solche informellen Kontakte aus.
»Bitte Handsteuerung übernehmen und an der nächsten Ausfahrt abfahren.« Aha, Neuland. Obwohl er seit seiner Geburt in dieser Stadt lebte, war er in diesem Teil noch nie gewesen. Ein altes Gewerbegebiet, wie es aussah; ein bisschen heruntergekommen. »Die nächste Einfahrt rechts nehmen. Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
Die Einfahrt führte auf ein Grundstück, das hauptsächlich aus Parkplatz und dürrem Rasen bestand. Eine Art Büro lehnte windschief am Zaun, und weiter hinten standen eine Menge blauer Plastikboxen, die aussahen wie Umkleidekabinen. Das war alles.
Die meisten der anderen waren schon da. Ben belaberte mal wieder die Frauen von der Devisenabteilung. Breitbeinig, die Hände in denHüften stand er da, und Tim hätte jede Wette gehalten, dass er anzügliche Witze erzählte. Henrik musste eben erst angekommen sein, er saß noch im Auto und telefonierte hektisch.
Gerade als man anfing, sich zu fragen, wie das weitergehen sollte, trat ein Mann aus dem Bürocontainer. Er war von beeindruckender Statur, hatte streichholzkurze Haare und Hunderte kleiner Fältchen im Gesicht von der Art, wie man sie mit modernen Mitteln eigentlich problemlos wegbekommen hätte. Aber sie verliehen ihm ein rustikales Aussehen, und das war, überlegte Tim, in seinem Job sicher nützlich.
»Mein Name ist Johannes. Ich heiße Sie zu Ihrem heutigen Survival-Training willkommen«, sagte er mit ruhiger, irgendwie kampferprobt klingender Stimme. Er trug eine olivfarbene Montur, die Tim an Safari-Filme denken ließ. Und ohne großes Herumgerede erteilte er gleich die erste Anweisung: alles abzulegen, was sie mit der Zivilisation verbinde.
»Alles? Was heißt ›alles‹?«, wollte jemand – Ben – wissen. »Werden wir nackt durch die Wälder streifen?« Die Frauen sahen
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