Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Vorräte zu horten …«
    Im anderen Programm kommen auch bloß Nachrichten. Die versteht er sowieso nie, deshalb schaltet er wieder aus.
    Die Blumen fallen ihm wieder ein. Die violetten Blütenblätter fallen schon ab, und die grünen Blätter sehen welk und trocken aus. Er zieht sich noch einmal die Schuhe an und geht tapfer hinüber zum Supermarkt. Der Supermarkt macht ihm Angst; da sind immer so viele Leute, die haben es immer furchtbar eilig und schubsen ihn umher, und zwischen den Regalen kann man sich glatt verlaufen. Manchmal geht er mit Mama, aber da schiebt er immer bloß den Wagen.
    Heute sind besonders viele Leute da, so viele wie noch nie. Hui, und wie die ihre Wagen vollgeladen haben! Alle sind ganz aufgeregt; drängeln und schimpfen und sehen aus, als hätten sie Angst.
    Er will am liebsten umkehren, aber er denkt an die Blumen und dass er Mama versprochen hat, auf sie aufzupassen. Er geht alle Regale ab und findet schließlich grüne Flaschen, auf denen »Pflanzendünger« geschrieben steht. Als er damit an der Kasse ist, schaut ihn die Kassiererin merkwürdig an, und die Leute ringsumher lachen ihn aus. Er macht ein grimmiges Gesicht und schaut nicht hin, bezahlt und geht dann einfach.
    Auf dem Heimweg sieht er, dass die Bäume in der Straße alle schon ihre Blätter verlieren, als ob Herbst wäre. Aber es kann nicht schon Herbst sein, denn er hat erst Geburtstag gehabt, kurz bevor Mama fortgefahren ist, und Mama sagt immer: »An deinem Geburtstag fängt der Sommer an, Hermann.« Und dass der Herbst erst lang nach dem Sommer kommt, das weiß ja wirklich jeder.
    Er gießt etwas von dem Pflanzendünger aus der Flasche in alle Blumentöpfe und wartet. Die Blumen rühren sich nicht, sehen aus wie völlig erschöpft. Er gießt noch einmal etwas von dem Dünger in jeden Blumentopf, bis die Flasche leer ist, und setzt sich wieder auf die Couch.
    Es kommt immer noch keine Kinderstunde, aber jetzt ist es ihm egal. Er wird so lange warten, bis die Kinderstunde kommt.
    »… bestätigt, dass das vor zwei Tagen versehentlich freigesetzte, gentechnisch veränderte Virus ausschließlich Pflanzen befällt. Es zersetzt den grünen Pflanzenfarbstoff Chlorophyll und gilt als Auslöser des weltweiten Pflanzensterbens.«
    Auf der Fensterbank raschelt es. Die ganzen violetten Blütenblätter fallen ab; es sieht aus wie violetter Schnee. Er mag gar nicht hinsehen. Mama wird ihn schimpfen, wird sagen, dass auf ihn kein Verlass ist und dass man ihn nicht allein lassen kann. Vielleicht wird sie sogar weinen, weil sie ihre Blumen so gemocht hat.
    »New York«, sagt die Frau im Fernsehen. »Die UNO hat eine Sondersitzung einberufen, um Konsequenzen und Gegenmaßnahmen zu beraten. Der Generalsekretär erklärte, wie die Lösung der Krise aussehen könne, wisse zur Stunde noch niemand. Er betonte jedoch, dass sie schnell gefunden werden müsse, ehe der Sauerstoff der Erdatmosphäre …«
    New York ist eine große Stadt mit riesigen Hochhäusern, so hoch, dass sie an den Wolken kratzen. Das hat ihm Ludwig einmal erzählt. Er stellt sich vor, dass die Häuser die Wolken aufritzen und dass es dann regnet. Regen muss sein, weil sonst auf den Feldern nichts wächst. Wo es nicht regnet, muss man selber gießen, und jetzt muss er wirklich weinen, weil er wieder an Mamas Blumen denken muss. Er hat doch alles richtig gemacht! Hat alles ganz genau so gemacht, wie Mama es gesagt hat, ganz genau so! Und trotzdem so was!
    © 1995 Andreas Eschbach

Eine unberührte Welt
    Kommen wir zum Finale. Auch die folgende Geschichte verdankt ihre Entstehung der Anfrage eines französischen Herausgebers. In diesem Fall war es Stéphan Nicot, der Herausgeber des bedeutendsten französischen SF-Magazins »GALAXIES«, der mich ansprach mit der Bitte um einen Beitrag für eine Anthologie mit Science-Fiction-Detektivgeschichten.
    Ich bin eigentlich kein großer Leser von Krimis, erst recht bin ich keiner von denen, die nach zehn Minuten »Tatort« schon wissen, wer es war und warum und welche falschen Fährten noch kommen (ich wünschte allerdings, ich wäre es!). Entsprechend liegt mir auch das Schreiben von Krimis nicht.
    In diesem Fall war es glücklicherweise so, dass ich in meinen Notizbüchern auf eine Idee stieß, die mich schon lange anlächelte, von der ich aber überzeugt war, dass sie keinen ganzen Roman tragen würde – die sich aber, wie mir beim Wieder-Lesen einfiel, als richtige Detektivgeschichte erzählen ließ! Ab da war es dann

Weitere Kostenlose Bücher