wegen Bestseller. Fürs Downloaden zahlt ja kein Mensch etwas. Folglich verdient auch kein Autor mehr etwas, es sei denn, er kann einem der letzten Verlage kurz vor der Pleite noch einen fetten Vorschuss rausleiern. Und folglich müssen die Autoren, um leben zu können, Essays wie diesen hier rülpsen, blödsinnige Kolumnen füllen, die eh keiner liest, die aber sein müssen, weil Zeitschriften immer noch gekauft werden, dem Erfinder des Papiers sei Dank, und die Fotos nicht so einsam auf den Seiten stehen sollen. Der nostalgische Geschmack wünscht graue Masse um die Bilder herum, den Eindruck von Text. Und dafür gibt es noch ein wenig Geld, und deshalb machen es alle, und deshalb gibt es dafür auch immer weniger Geld, ganz getreu dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, der gute alte Kapitalismus lässt grüßen.
Okay. Falls irgendjemand irgendwann diesen Text hier tatsächlich lesen sollte – herzlich willkommen zunächst –, könnte er oder sie fragen, warum ich mich eigentlich beschwere. Und nur für diesen Fall will ich das erklären. Ich bin, ich gebe es zu, der altmodischen, völlig verstaubten, nahezu viktorianischen Auffassung, dass es Anstrengung erfordert, etwas Gutes zu schaffen. Dass Qualität nicht nebenbei entsteht, sondern dass man sich ihr ganz und gar widmen muss, darum kämpfen, dass es einem wichtig sein muss. All das Zeug halt. Aber wenn sich heute einer hinsetzt und etwas schreibt, das wirklich gut ist, gut und dicht und stark – welche Chancen hat dieser Text, jemals von irgendjemandem gelesen zu werden oder gar gewürdigt? Und kommen Sie mir nicht damit, dass es schon immer viel Schund gegeben hat. Klar. Aber noch nie so viel wie heute. Als auch Schund noch Geld und Mühe kostete, war auch der Schund noch besser. Wenn Hedwig Courths-Mahler heute in den Netzen auftaucht, dann hält man sie neben all dem gestammelten Schrott unwillkürlich für Shakespeare.
Ich wette, Sie wissen nicht, wer Hedwig Courths-Mahler ist.
Okay, bringen wir die Sache zu Ende. Ich hätte gar nicht davon angefangen, wenn ich nicht neulich erfahren hätte, dass es eine Gegenbewegung gibt. Ja, da lacht doch mein Herz! Mal sehen, ob meine Sprachschnittstelle sich weigert, das zu übertragen: Es kommt in Mode, Bücher wieder von Hand zu schreiben. Und damit meine ich, richtig von Hand, in Handschrift auf weißes Papier, und clevere alternative Verlage machen daraus Faksimile-Bücher und ein Heidengeld damit. Zurück zum Echten, Wahren. Ein Buch in der Handschrift des Autors, vielleicht mit eigenhändigen Skizzen und Zeichnungen. Und jawohl, das finde ich gut. Und damit soll es genug sein; die vorgeschriebene Zeilenzahl ist für diese Woche erreicht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
(Anmerkung: Tessa, wie klingt der Text? Klingt er, als hätte ihn jemand gesprochen? Oder ist er zu glatt, zu bearbeitet?/AE/)
(Gute Idee. Klingt echt. /Tessa/)
(cc:
[email protected] [Bitte Kommentar!])
(Boy! Wäre toll, so eine Sprachschnittstelle zu haben. /john/)
(John, *liest* du eigentlich, was ich dir maile? Sei dankbar für deine Textverarbeitung. Wenn die Spracherkennung kommt, musst du wieder von Hand schreiben! /AE/)
© 1995 Andreas Eschbach
Die Wunder des Universums
Die nächste Geschichte ist zwar gänzlich ohne Sprachschnittstelle entstanden, hat dafür aber inzwischen mehrere Sprachbarrieren erfolgreich überwunden.
Beginnen wir am Anfang. Im Frühjahr 1997 meldete sich ein gewisser Sascha Mamczak bei mir, seines Zeichens Redakteur der im Verlag Thomas Tilsner erscheinenden Zeitschrift »Science Fiction Media«, die einen Relaunch plante, größer, bunter, aufsehenerregender. Und für die erste Ausgabe im neuen Format wünsche man sich eine Kurzgeschichte von mir.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Zu der Zeit schrieb ich gerade an dem Roman »Jesus Video«, von dem ich mir einiges versprach, aber ich schob die Arbeit daran beiseite, um eine Idee für eine Kurzgeschichte zu verwirklichen, die mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf ging und die, behaupte ich mal, nach einem Anlass gesucht hat, geschrieben zu werden.
Die Story erschien, sehr schön aufgemacht, im September 1997 in der Ausgabe 132 der »Science Fiction Media«. Wer das Heft noch besitzen sollte, weiß hoffentlich, dass er es mit einem Sammlerstück zu tun hat, denn die Zeitschrift gibt es inzwischen längst nicht mehr. Sascha Mamczak wechselte kurz darauf zum Heyne-Verlag, wo er zunächst Assistent des Herausgebers Wolfgang