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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Einkaufslisten, hmm? Speisepläne?«
    Ulrich sagte nichts.
    »Dieses Weihnachten«, fuhr Juliane fort, »kochen wir auf jeden Fall was anderes als sonst.«
    Ulrich räusperte sich. »Und was?«
    Ihr Kinn schob sich vor, während sie hinaussah in die kalte, klare Winternacht. »Weiß ich noch nicht. Das entscheiden wir ganz spontan.«
    © 2007 Andreas Eschbach

Rain Song
    Es war vor langer, langer Zeit. Ich war noch wesentlich jünger und schlanker als heute, und ich weilte in Griechenland, in einer beschaulichen kleinen Ferienanlage. Es war Mai, und das Wetter war herrlich.
    Die Ferienanlage war in der Tat so klein und beschaulich, dass man mit den anderen Gästen durchaus in Kontakt kam. Wie viel waren es? Ein Dutzend vielleicht, soweit ich mich erinnere. Man saß abends lange auf der Terrasse beisammen, bei Ouzo und Retsina, Mondlicht und Zikadengezirpe, und redete über Gott und die Welt.
    Einer war dabei, der eine Gitarre hatte, und er brachte uns eines Abends alle auf die Beine, um gemeinsam zu singen und zu tanzen. Keinen Sirtaki, sondern indianische Tänze. Behauptete er zumindest. Es waren einfache Melodien und einfache Schritte, und es war gut nachvollziehbar, dass man sich damit in so etwas wie eine Trance hineintanzen kann.
    Am nächsten Morgen war der Himmel bewölkt. Das sei nicht ungewöhnlich um diese Jahreszeit, meinte der Leiter der Anlage. Irgendjemand meinte scherzhaft, vielleicht habe man am Abend zuvor versehentlich einen Regentanz getanzt und sich damit den Rest des Urlaubs verdorben.
    Ich weiß noch, wie sich meine Augen weiteten, als ich das hörte. Was für eine Idee für eine Geschichte!
     
    Abergläubische Leute machen mich rasend. Ich meine, man hat uns gewarnt, oder? Und nicht nur einmal. Das Wetter hat schon lange verrückt gespielt, und all die Wissenschaftler, die uns in den Ohren gelegen sind von wegen, dass wir zu viele Treibhausgase in die Luft blasen, zu viele Gifte, zu viel Dampf und so weiter. Man konnte es irgendwann doch nicht mehr hören.
    Also: Das Klima stand schon lange dicht davor, umzukippen. Und dann ist es eben umgekippt. Darüber sollten all die Leute mal nachdenken, die jetzt hinter mir her sind.
    Ich jedenfalls denke viel über all diese Dinge nach. Als Briefträger habe ich eine Menge Zeit zum Nachdenken, wenn ich die nassen Straßen entlangstapfe, während der Regen meine Hosen durchweicht, meine Brille beschlagen lässt und mir unter dem Regenmantel den Rücken runterläuft. Die Gärten stehen alle unter Wasser. Was einmal gepflegter englischer Rasen war, ist nur noch bleiche, schlammige Masse. Vielen Schlammlöchern kann ich ausweichen, aber oft muss ich durch Wasserströme waten, um zu den Briefkästen zu gelangen. Die Briefe sind oft schon durchweicht, wenn ich sie in die angerosteten Schlitze stopfe. Für Pakete gab es bis vor kurzem Schutzsäcke aus Plastik, aber die sind jetzt aus. Es verschickt außerdem kaum noch jemand Pakete.
    In den Straßengräben sammeln sich ertrunkene Mäuse und Ratten. Es ist Juli, aber es ist kalt und nass. Jeder, dem ich begegne, sieht aus, als wollte er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Wie der Himmel, der nicht aufhört zu weinen.
    Ich sage mir, dass ich trotz allem Glück gehabt habe. Das Haus, das ich bewohne, hat meiner Tante gehört, die zeitlebens Angst hatte, die Deutschen könnten den Krieg neu anfangen, und deswegen erstaunliche Vorräte von allem gehortet hat. Ich kann es mir leisten, ein Zimmer fast durchgehend zu heizen, sodass es nahezu schimmelfrei bleibt. Ich schaffe es oft sogar, meine Kleidung wieder trocken zu kriegen, was heutzutage der größte denkbare Luxus ist. Das sage ich mir, wenn ich abends in meinem Zimmer sitze, die Wäscheleinen vor dem Ofen anstarre und dem wütenden Pladdern auf Fensterscheiben und Vordächer zuhöre. Und dem Geräusch, mit dem all das Wasser die Abflussrohre hinabgurgelt.
    Leider wird das Brennholz knapp. Danach bleiben noch fünf große Kanister Heizöl. Am längsten werden die Vorräte reichen. Alles in Dosen, was nicht besonders gesund ist – mir sind schon zwei Zähne ausgefallen –, aber wenn man bedenkt, wie unbezahlbar Nahrungsmittel heute sind, ein Segen. Auf den überfluteten Feldern wächst inzwischen nichts mehr, alles, was es noch gibt, stammt aus ein paar Treibhäusern. Für Nahrungsmittel wird gemordet. Die Regierung gibt Bezugsscheine aus, aber sie hat immer weniger zu verteilen. Und ich bin so ungefähr der Letzte, der sich Hoffnung machen dürfte, einen

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