Auf dem Weg zu Jakob
Frohen Mutes
Holprig geht die Maschine runter. Mal ein kurzer Schwenker nach links, dann gleich wieder nach rechts. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass wir von mit Windmühlen bestandenen Bergen umzingelt sind. Don-Quijote-Romantik zur Einstimmung? Nicht ganz, denn das da unten ist ein moderner Windpark.
Mir kommt es so vor, als hätte der Flieger schon ein paar Mal gekreist, dann plötzlich ein starker Ruck. Die alte MD-Düse hat aufgesetzt, springt gleich noch mal einen Meter hoch, bevor sie dann schließlich doch Bodenkontakt hält. Gleichzeitig steigt der Pilot in die Eisen, als stünde der Leibhaftige vor ihm.
Draußen erkenne ich, dass die Landebahn nicht gerade lang ist, und mir scheint, als hätte der Pilot bei der Landung ein kleines Wunder vollbracht. Außer uns ist keine andere Verkehrsmaschine hier. Auf dem einen Gebäude da drüben lese ich Noain - das ist der Name des Flughafens von Pamplona.
Es dauert nicht lange und ich habe meine knallroten Fahrradgepäcktaschen. Einen kleinen Rucksack hatte ich mit in die Kabine genommen, jetzt aber wird es spannend. Wo ist mein Fahrrad? Immerhin lagen zwischen dem Abflug heute Mittag in Hamburg drei Flüge: Hamburg - Barcelona, Barcelona - Madrid und Madrid - Pamplona. Mit mir warten noch sechs andere Radler aus Süddeutschland. Das erste Rad wird aus der Ladeluke gezerrt. Dann kommt noch ein Rad und noch eins, und, ja es ist meins. Das Rad ist da und die Tour kann beginnen. Ich habe mir vorgenommen, mit dem Fahrrad entlang des spanischen Jakobswegs, dem alten Camino, nach Santiago de Compostela im fernen Galicien zu radeln - nicht die Bohne ahnend, auf was ich mich da eingelassen habe!
Die nächste Hürde ist jetzt, ein Taxi zu finden, das mich und mein sperrig verpacktes Rad in die Stadt bringt. Es stehen nur drei Taxis vor dem Flugplatz und keins ist ein Kombi. Ich sehe Probleme. Die Taxifahrer zum Glück nicht. Im Nu wird die Rückbank umgeklappt, und die beiden anderen Fahrer helfen beim Einladen. Ganz passt es nicht, die Klappe lässt sich nicht schließen. Aber auch das ist kein Problem. Schon kommt einer der Männer mit einem Bindfaden und befestigt die Heckklappe.
Die Fahrt in die Stadt scheint weiter und komplizierter, als ich vermutet hatte. Wäre ich jetzt hier im Dunkeln allein auf meinem Fahrrad, ich hätte den Weg nicht gefunden, denn wir fahren ein Stück über autobahnähnliche Strecken. Wegen der späten Ankunft habe ich ein Hotelzimmer für diese Nacht bereits reserviert. Ich lasse mich zum Plaza del Castillo im Herzen der Stadt chauffieren. Es ist Samstagnacht und der Platz ist voller Menschen. Der freundliche Taxifahrer hilft beim Entladen und wünscht mir „Bon viaje“, eine gute Reise.
Der Hoteleingang liegt unter den Arkaden in der nordöstlichen Ecke des Platzes. Ich zerre mein Gepäck und das Rad durch die Schwingtür und stehe vor dem kleinen, altmodischen Tresen der Rezeption, hinter dem ein alter Mann sitzt. Hotel La Perla. Das Hotel, in dem Hemingway zu wohnen pflegte, wenn er Pamplona und seine Fiesta besuchte. Der Portier wirkt so alt, dass er möglicherweise Hemingway auch schon bedient hatte.
Ein bisschen komisch komme ich mir schon vor mit meinem Fahrrad in diesem ehemals sehr eleganten Hotel. Aber der Portier versichert mir, ich solle mir deswegen keine Sorgen machen. Das Rad stellen wir einfach in einen der zur Zeit nicht benutzten Speisesäle. Es stünden ohnehin schon mehr als zehn andere Räder dort. Sie gehörten einer Gruppe Kanadier, die auf dem Weg nach Santiago seien. Zwei der Räder sind auch noch verpackt. Als Verpackung hatten die Kanadier Pappkartons gewählt, während ich mein Rad rundum durch Luftpolsterfolie vor Transportbeschädigungen geschützt habe.
Mein Zimmer ist im vierten Stock. Ein kleiner Fahrstuhl bringt mich und mein Gepäck nach oben. In meinem Zimmer befindet sich polierter Parkettfußboden, Originalausgabe, und weiß getünchte Wände geben dem Raum ein luftiges Aussehen mit einem leichten Geruch von Bohnerwachs. Das Zimmer ist verhältnismäßig groß, der großen Deckenhöhe proportional angemessen. Die Möbel, zwei Betten mit Ablagen, ein Sessel, ein Miniaturschreibtisch und ein Einbauschrank sind seit Hemingways Zeiten vermutlich nie erneuert worden. Klar hat man wohl in neue Matratzen investiert, vielleicht in den 50er-Jahren auch mal eine Steckdose erneuert, aber ansonsten ist alles noch wie es war. Ich bin fasziniert. So viel Atmosphäre auf einmal!
Ich weiß gar
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