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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Verfügung wieder auftauchen, noch ehe das Konzert vorüber war.
    Ich stand am Bühnenrand und sah zu. Ich will erst gar nicht versuchen zu beschreiben, wie es war oder wie es sich anfühlte, da zu stehen, das ganze Wembley-Stadion singen zu hören und Hunderttausende von Armen wogen zu sehen wie Gras im Wind – was immer ich darüber sagen würde, klänge nur wie ein armseliges, weit entferntes Echo einer überwältigenden Erfahrung. Alles, was ich sagen will, ist, dass ich da stand und zusah, und während ich zusah, bemerkte ich, dass sich der blaue Himmel mit Wolken sprenkelte.
    Zarte weiße Wolken, aber ich wurde ein wenig unruhig. Einhundertvierundvierzigtausend Kehlen sangen den Rain Song, und auf einmal wünschte ich mir, ich hätte sie stoppen können. Einhundertvierundvierzigtausend Sänger, die das heilige Lied zum Himmel hinaufschickten. Die die Worte sangen, die Macht hatten.
    Es fing zu regnen an, noch ehe das Lied vorüber war.
    Das war vor drei Jahren. Seit diesem Tag hat es nie wieder aufgehört zu regnen.
    © 2007 Andreas Eschbach

Garten Eden
    Einer der häufigsten Fehler, den Anfänger machen, wenn sie Kurzgeschichten schreiben, ist der, viel zu langsam zu beginnen. Da steht der Held erst mal eine Seite lang auf. Die nächste Seite braucht er, um aufs Klo zu gehen, sich zu waschen und rasieren und herauszufinden, welcher Tag ist. Weitere zwei Seiten lang frühstückt er. Dann stellt er fest, dass Aliens die Welt übernehmen wollen, eine fiese Verschwörung mit ihnen im Bunde ist und er, der Held, der Einzige ist, der all das verhindern kann – was er dann auf den restlichen anderthalb Seiten erledigt.
    Auch diese Geschichte, eines meiner frühen Werke, hatte zunächst eine Einleitung, von der ich erst Jahre später merkte, dass sie überflüssig war wie ein Kropf. Nicht nur ersatzlos, sondern überdies zum Vorteil der Story streichbar. Denn sie enthielt nur vorgezogen an den Anfang eine Art »Moral von der Geschicht’«, und wenn eine Story etwas nicht braucht, dann das.
    Mangels Veröffentlichungsmöglichkeit stand sie lange einfach auf meiner Homepage. Was einer Veröffentlichung in papierner Form natürlich zunächst im Wege stand, denn alle, die mich fragten, wollten dann doch lieber was Neues, Exklusives oder jedenfalls nicht allgemein Erhältliches.
    Bis eines Tages eine Dame vom Bertelsmann Buchclub anrief und genau diese Geschichte für eine Anthologie wollte.
    Und natürlich bekam. So schnupperte der »Garten Eden« den Papierduft erstmals in der 2004 von Iris Grädler herausgegebenen Anthologie »Sommer am Meer und anderswo« im Bertelsmann Buchclub, zusammen mit Kurzgeschichten von Charlotte Link, Patricia Shaw, Diana Gabaldon, Elke Heidenreich, Maeve Binchy, Harlan Coben und anderen.
     
    Die Party nach der offiziellen Hochzeitsfeier war verschwenderisch ausgestattet, und die vielen Leute! Tonak kannte die wenigsten. Das sollten alles seine Verwandten sein? Kaum zu glauben.
    »Tonak!« Eine tiefe Männerstimme. Tonak drehte sich um, den Teller in der Hand, den er am Buffettisch zu füllen im Begriff war.
    Die gewaltige Gestalt Onkel Perets. »Tonak, mein Junge – du bist groß geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe!«
    Typisches Verwandtengeschwätz, dachte Tonak. Dasselbe hatte er heute schon mindestens fünf Mal zu hören bekommen, und ihm war immer noch keine geeignete Antwort darauf eingefallen. So sagte er nur: »Hallo, Onkel Peret.«
    »Na, wie gefällt es dir bei uns im Amazonas? Du bist das erste Mal hier, nicht wahr?«
    »Ja, stimmt.« Tonak sah sich um. Es stimmte, und es stimmte auch wieder nicht. Sein Blick ging über die Terrasse, den weitläufigen Park dahinter, die anderen Wohneinheiten, die sich sanft in die Landschaft schmiegten. »Allerdings habe ich mir das Amazonasgebiet immer ganz anders vorgestellt. Anders als bei uns zu Hause zumindest.«
    Onkel Peret lachte. »Ja, ja, dein Vater hat mir schon von deiner Leidenschaft für die alten Abenteuerbücher erzählt. Aber diese Zeiten sind wirklich sehr, sehr lange her. Heute gibt es keine Wilden und keinen Dschungel mehr, und die gefährlichen Krankheiten sind längst ausgerottet. Auch hier hat die Kultur gesiegt, letzten Endes.«
    »Ja, sieht so aus.« Sie waren alle so begeistert davon, alle, die er kannte.
    »Kennst du eigentlich schon deine Cousine Gham’bia?« Er bedeutete einem schlaksigen Mädchen, herzukommen. »Gham’bia, ich möchte dir deinen Cousin Tonak aus Europa vorstellen. Er ist mit

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