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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Lust, das Universum war Lust.
    Dann ließ es nach und war vorbei. Chi’thlox zerrte seinen Stachel aus dem Leib des anderen, gab ihn frei, spreizte wohlig die Flanken und glitt in die Höhe, während der Lerng in dunstene Tiefen flüchtete. Keine Eile. Er schwebte reglos, spürte der Süße nach, die noch in ihm war, fühlte das Pochen seines ermattenden Organs. So weit der Blick reichte, wogte das silbern glänzende Meer der Pflanzen unter dem ewig dunstverhangenen graugrünen Firmament. Eines der helleren Himmelslichter versank gerade am Horizont, und der schnurgerade Rand der Weltenscheibe glänzte geheimnisvoll. Was für ein Wohlgefühl. Was für ein wunderbarer Tag.
    Chi’thlox!
    Ein anderer Jeng kam aus der Tiefe auf ihn zugeschossen. Chi’thlox ging in Kampfhaltung, bis er die Stammestätowierungen des anderen erkennen konnte, die ihn ebenfalls als Thlox auswiesen.
    Es war Nere’thlox. Sein Bauchstachel war halb aufgerichtet und leicht angeschwollen, und Chi’thlox bemühte sich, es nicht zu bemerken. Es war ungehörig, den Stachel eines Stammesbruders zu betrachten, der in der Hitze war.
    Sei gegrüßt, Nere’thlox.
    Nere’thlox umkreiste ihn aufgeregt. Oh, Chi’thlox, du hast ashigt!
    Ja, gerade eben.
    Wer war es?
    Einer vom Stamm der Lerng. Der schönste Jeng, den ich je gesehen habe. Er war bestimmt noch reifer als unser Ältester.
    Nere’thlox ließ sich etwas absinken. Es war unübersehbar, dass er neidisch war.
    Du hast immer so ein Glück. Kannst du mir nicht auch mal etwas lassen? Du hast doch schon so oft ashigt.
    Ja, und stell dir vor: Ich kann gar nicht genug davon kriegen!
    Damit ließ sich Chi’thlox spielerisch hinabstürzen, bis er zwischen den Pflanzen verschwand. Nere’thlox sandte ihm irgendetwas Unfreundliches hinterher, folgte ihm aber nicht, sondern zog weiter, in Richtung auf die Nester der Irh.
    Chi’thlox glitt gemächlich durch den silbernen Dunst des Halbdunkels zwischen den Stämmen und Haarwedeln der Pflanzen, die aus unergründlichen Tiefen bis hier herauf wuchsen, wo die Jeng lebten. Luftplankton wehte ihm entgegen, und er sättigte sich.
    Schließlich tauchten die Nester der Thlox aus dem Dickicht auf. Einige Stammesbrüder grüßten ihn, aber er gesellte sich nicht zu ihnen, sondern flog direkt zu seiner Nestkugel. Er war müde. Er zog den Dornenverschluss vor das Schlupfloch, reinigte seinen Bauchstachel und begab sich zur Ruhe.
     
    Der Versammlungsplatz war der Ort, an dem die Thlox einander Geschichten erzählten; Begebenheiten von Streifzügen durch den Wald oder die alten Legenden von den Geheimnissen der Tiefe, aus der die Pflanzen kamen und in die ein Jeng erst zu gelangen vermochte, wenn er tot war. Doch als Chi’thlox an diesem Morgen am Versammlungsplatz eintraf, herrschte dort nur allgemeine Aufregung. Einer der Ältesten wurde vermisst, und alle machten sich große Sorgen, denn in der Nähe der Thlox-Nester war ein Jeng vom Stamm der Diak gesehen worden, der herumstreunte und in der Hitze war.
    Wir müssen ihn suchen. Si’thlox, der Zweitälteste, teilte Gruppen ein, und auch Chi’thlox wurde einer Gruppe zugeteilt, ehe er recht verstanden hatte, was los war.
    Als die Gruppen ausschwärmten, hatte Chi’thlox große Mühe mitzuhalten, denn sein Bauchstachel tat noch weh von seinem Ashig mit dem Lerng, und während die anderen elegant in alle Richtungen davonstoben, konnte er sich nur unbeholfen bewegen. Die Thlox seiner Gruppe, allesamt viel jünger als er und völlig aufgeregt, bemerkten nicht einmal, dass er zurückblieb. Verdrießlich gab Chi’thlox schließlich auf und machte kehrt.
    Und da war er plötzlich.
    Der Diak.
    Jung, schnell und stark. Und unübersehbar in der Hitze.
    Ein heißer Schreck durchfuhr Chi’thlox, und er hielt inne, unfähig, sich zu bewegen. Sein Blick wurde wie magisch von dem großen, geschwollenen Bauchstachel des Diak angezogen, und er hatte fast den Eindruck, ihn pochen zu sehen. Unzählige Male hatte er über diesen Moment nachgedacht, wann es geschehen und was er dann tun würde, und war so sicher gewesen, jedem anderen Jeng entkommen zu können. Aber jetzt war er wie gelähmt. Wie ging die Redensart? Wenn du dem begegnest, der dein Schicksal ist, dann weißt du es.
    Der Diak glitt langsam näher. In seinen Sehfeldern schimmerte das Begehren.
    Regungslos ließ Chi’thlox zu, dass der Diak ihn berührte, ihm über die Fühler strich, sanft die Hautfalte unter dem Panzer erkundete. Ein eigentümliches Prickeln ging

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