Eine unberührte Welt
kleine, verschrumpelte Wesen, die wenig Ähnlichkeit mit Jengs hatten, und stritten um die Plätze an seinen Saugleisten. Er ließ es geschehen. Er konnte ohnehin nichts anderes tun als dazuliegen und sich aussaugen zu lassen.
Das ist also das Geheimnis des Lebens, dachte er, seine Bestimmung und sein Ziel. Merkwürdig. Eigentlich müsste ich jetzt doch verstehen; es hieß doch, ich hätte das Ziel erreicht.
Die Kinder wuchsen und blähten sich auf, und irgendwann schoss das erste davon, in die Höhe. Die Übrigen folgten in kurzen Abständen.
Chi’thlox blieb zurück, und er begriff, dass er niemals wieder schweben würde. Er spürte, wie sein ausgemergelter Körper schwerer und schwerer wurde und wie das Gebärlager langsam unter ihm nachgab.
Aus der Tiefe kommen wir, in die Tiefe kehren wir zurück.
Ich verstehe jetzt …
© 1990 Andreas Eschbach
Das fliegende Auge
Eines Vormittags rief eine Berliner Zeitung an. Amerikanische Forscher (in der Tradition Frankensteins, wie mir scheint) hatten gerade eine Verschaltung zwischen dem Auge einer Katze und einem Computerbildschirm realisiert, und zu dieser Meldung wolle man gerne eine SF-Geschichte bringen. Man bräuchte sie aber ganz schnell. Noch am selben Tag, um genau zu sein. Ob ich das Unmögliche möglich machen könne?
Manchmal reizen mich solche Herausforderungen, und an diesem Tag war es so. Ich handelte Zeit bis um 16 Uhr aus, ließ alles liegen und stehen und durchstöberte mein Notizbuch nach einer Idee, aus der sich etwas Passendes machen ließe. Es dauerte keine zehn Minuten, bis ich fündig wurde. An die Arbeit! Innerhalb weniger Stunden entstand der Text, wurde überarbeitet, saubergefeilt und rundgeschliffen und sehr, sehr rechtzeitig per Mail abgeschickt.
Leider hatte besagte Berliner Zeitung nicht nur kein Vertrauen in mich, sondern auch keine Manieren. Auf mein Mail kam die Antwort, es täte ihnen leid, sie hätten nach dem Telefonat mit mir einen anderen SF-Autor angerufen, und der hätte schon was Fertiges gehabt. Und das brächten sie jetzt. Auch wenn es, ehrlich gesagt, nicht ganz zum Thema passe.
Hätte man mir ja auch eher sagen können, oder?
Andererseits gäbe es diese Geschichte dann nicht.
Mister President, meine Damen und Herren, ich will die Zeit des Anflugs nutzen, um die technischen Hintergründe dieses Projekts genauer zu erläutern. Wie Sie sich vielleicht erinnern – es ging damals durch die Presse –, ist es Ende 1999 in Berkeley Wissenschaftlern erstmals gelungen, die Augen einer Katze so an einen Computer anzuschließen, dass auf dem Bildschirm erschien, was diese Augen sahen. Kurze Zeit später – wie soll ich sagen? – fanden die wichtigsten Mitglieder dieses Forscherteams das Angebot attraktiv, von Berkeley nach Langley zu wechseln und die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht mehr zu publizieren, im Austausch für die Gewissheit, ihrem Land und der Freiheit zu dienen – und für eine Menge Geld, natürlich. Im Jahr darauf funktionierte das, was mit Katzenaugen geglückt war, auch mit den Augen von Vögeln, und 2001 waren die zugehörigen Sender klein und leicht genug, um sie den Tieren auch einzupflanzen. Sie erinnern sich an die Aufnahmen aus Muammar Ghaddafis Garten? Ein Falke, den wir ihm über einen Mittelsmann zukommen ließen. Ein schönes Tier. Und Sie wissen ja, wie diese Orientalen sind – vernarrt in Falken und Hengste und all solches Zeug.
Hmm, ja. Das ist leider wahr – man hatte vergessen, die Ohren des Tieres anzuschließen. Wir konnten Ghaddafi bei zahlreichen Gesprächen beobachten, aber nichts hören. Ja, korrekt; das führte zu einem überraschenden Wechsel an der Spitze des CIA. Nein, wir haben natürlich Lippenleser eingesetzt, auch solche, die des Arabischen mächtig sind, aber diese Schnauzbärte … Aussichtslos.
So, wir sehen nun Peking, meine Damen und Herren, aus etwa fünfzig Metern Höhe. Das Auge einer Fliege an einen Computer anzuschließen, ich kann es Ihnen versichern, ist eine technische Meisterleistung. Wie Sie vielleicht wissen, hat eine Fliege, wie alle Insekten, Facettenaugen, die völlig anders funktionieren als die Augen von Säugetieren oder Vögeln. Eine Vielzahl von einzelnen starren Augen, nicht wahr, die eine Vielzahl von einzelnen Bildern liefern … Aber da sie alle an einen Computer angeschlossen sind, kann man mit entsprechender Software die Informationen der einzelnen Facetten zu einem Gesamtbild umrechnen, das uns Menschen verständlich ist.
Ja, richtig, das
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