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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nicht damit aufhören.
    Mîn herze und mîn lîp, diu wellent scheiden …
    »Nächstes Jahr«, sagte sie mühsam, »musst du dir einen anderen Unterschlupf suchen.«
    Sie hörte ihn erschrocken einatmen. »Was?«
    »Ich muss das Haus verkaufen. Es ist zu groß für mich alleine, verstehst du? Ich werde wegziehen. In eine andere Stadt. Der neue Eigentümer wird eine andere Kellertür einbauen, eine moderne, aus Stahl. Wahrscheinlich auch eine Alarmanlage.«
    Sie hörte ihn mit den Fingernägeln über die Tischplatte fahren. »Schade«, sagte er ratlos.
    Lena stand ruckartig auf, trat an den Herd, befingerte den Stiel der Kasserolle. »Willst du noch etwas trinken?«
    »Nein, danke.«
    »Etwas essen?
    »Danke, auch nicht.«
    »So ein bisschen Rührei ist nicht viel.«
    »Ich bin eigentlich satt. Ich hatte nur Appetit auf was anderes als sonst.«
    Ihr schauderte. Sie würde nicht darüber nachdenken, wovon er satt war. »Ich bin schrecklich müde. Ich werde ins Bett gehen. Du kommst ja allein zurecht. Wie die letzten Jahre auch.«
    Er räusperte sich und sagte dann leise: »Ja. Ich komm zurecht.«
    »Dann gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Lena verließ die Küche, stieg die Treppe hinauf, fühlte nichts. Es war gut, nichts zu fühlen. Sie schloss die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich ab, zweimal, schlüpfte unter die Decke, machte das Licht aus und lauschte noch eine Weile, ohne etwas zu hören.
    Dann schlief sie ein.
    Am nächsten Morgen war das Haus so verlassen wie immer. Sie fand die Kellertür ordentlich verschlossen vor, den Reserveschlüssel an seinem Platz. Wie hätte ein sich in einen Hund verwandelnder Junge das bewerkstelligen sollen? Lena beschloss, alles nur geträumt zu haben.
    Dann machte sie sich daran, das Geschirr zu spülen. Eine Tasse mit Kakaoresten, ein mit Ei und Fett verschmierter Teller, eine Pfanne, Besteck. Nicht darüber nachdenken. Es gab nur den Moment. Kein Nachdenken, keine Sorgen, keine Schuldgefühle.

Die Liebe der Jeng
    Eine sehr alte Geschichte. Ich habe sie in den späten 80ern geschrieben und wieder hervorgekramt, als Jean-Marc Ligny mich um einen Beitrag für seine Anthologie »Cosmic Erotica« bat. Ein wenig überarbeitet, erschien sie 1999 auf Französisch das erste Mal.
    Keim der Grundidee war die Beobachtung, dass Sex ja keineswegs immer nur etwas Schönes ist, sondern dass wir einander im Sex und mit dem Sex oft auch weh tun. Was, so die Frage, wäre, wenn Wesen schon von der Natur aus so gebaut wären, dass sie überhaupt nur die Vergewaltigung kennen – sprich, dass der Geschlechtsakt unweigerlich immer für den einen höchste Freude und für den anderen höchste Pein wäre? Und was, wenn diese Rollen wechseln könnten?
     
    Chi’thlox spürte die Hitze in sich. Der Anblick des reifen Lerng ließ ihn zittern vor Verlangen. Du bist schön. Er schwebte näher, sah atemlos, wie der Lerng regungslos verharrte, wie seine Sehflächen bebten, verhießen, dass es wieder geschehen würde. So schön. Chi’thlox berührte ihn, behutsam, kostete die weichen Konturen des vollen, reifen Körpers. Du bist vollendet. Er glitt noch dichter heran, liebkoste die zarte Haut am Ansatz des Rückenpanzers, und so trieben sie gemeinsam dahin durch die wogenden Wipfel des unermesslichen Waldes, der die Welt war, über sich nur die graugrünen Himmelsnebel. Zeig mir, dass du es willst, Lerng.
    Langsam bewegte sich der andere Jeng, drehte ihm den Rücken zu. Ja, zeig es mir. Chi’thlox erbebte bei dem Anblick, den die makellose Nahtlinie der Rückenpanzer bot und darunter, am Ende der Naht, die dunkle, verheißungsvolle Öffnung der Shing. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der schöner war als du. Er umklammerte die Rückenplatten des Lerng, schob sich in die richtige Position, spürte seinen aufgerichteten Bauchstachel heiß und prall pulsieren, als die pochende Spitze sanft auf der feuchten Membran aufsetzte.
    Es ist fast schade um dich.
    Damit rammte er ihm den Bauchstachel in die Shing, tief hinein, mit einer einzigen, harten Bewegung, so, wie es am besten war, und der Sturm unbeschreiblicher Lust ließ ihn alles um sich herum vergessen. Vergessen war das Wissen, dass sein Vergnügen Schmerz bedeutete für den anderen. Alles, was er wahrnahm, waren die süßen Kontraktionen seiner Stachelmuskeln, war das heiße, fordernde Strömen in den fremden Leib. Er bemerkte nur am Rande, wie der Lerng sich krümmte und wand vor Pein, hörte kaum seine Schreie, und sie bedeuteten nichts. Es gab nur

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