Eine undankbare Frau
haben hier nur einen Supermarkt. Der liegt unten beim Skarvesjø. Die verkaufen allerdings alles Mögliche. Ich meine, die führen auc h Medikamente. Und sogar Spielzeug und sowas.«
Sejer machte sich Notizen auf einem Block.
»Wie komme ich dahin?«
»Sie fahren zum Zentrum von Bjerkås«, erklärte Sundelin. »Und dann biegen Sie rechts ab. Sie sehen den Supermarkt sofort, wenn Sie runter zum Wasser kommen. Die haben vor dem Geschäft ein paar idiotische Flaggen gehisst.«
»Was ist mit denen, die in Askelandsfeltet wohnen?«, fragte Sejer. »Gehen die auch in den Supermarkt?«
»Die hatten früher ihren eigenen«, sagte Sundelin. »Aber der hat dichtgemacht, jetzt kommen sie also zu uns. Aber es fahren immer mehr nach Kirkeby, da gibt es eine größere Auswahl. Früher hatten wir hier alles«, fügte er hinzu. »Bäckerei, Friseur, Café und Bank. Aber nach und nach wird alles geschlossen. Jetzt bekommt man hier nur noch Lebensmittel und Benzin. Und wir haben noch eine kleine Kneipe. Die liegt neben der Tankstelle.«
Sejer bedankte sich und legte auf. Es war noch früh am Morgen. Er nahm Frank mit und fuhr die fünfundzwanzig Kilometer nach Bjerkås. Er bog rechts ab, wie Sundelin ihm gesagt hatte, und sah schon von weitem die Flaggen am Ufer. Eine schmale asphaltierte Straße führte zu einem schönen Strand, aber als er aus dem Auto stieg, sah der nicht mehr so einladend aus. Es gab keinen Sand, nur riesige scharfe Steine, die sich zu einer unüberwindbaren Barriere auftürmten. Das war unter Umständen auch die Erklärung dafür, dass der Supermarkt die Genehmigung erhalten hatte, dort zu bauen. Denn baden konnte man dort nicht. Weiter hinten in der Bucht lagen einige Boote, die an Land gezogen worden waren, einige davon mit dem Kiel nach oben. Er ging los. Der Strand war leer, darum ließ er Frank ohne Leine laufen. Der Hund rannte vor, kletterte unbeholfen über die großen Steine und lief ins Wasser, kam aber schnell wieder zurück.
»Na, Frank«, sagte Sejer. »Doch noch ein wenig zu kalt heute?« Der See war spiegelglatt, keine Welle war auf der Wasseroberfläche zu sehen. Sejer setzte sich auf eines der umgedrehten Boote und beobachtete eine Entenfamilie. Frank stand am Wasser und knurrte sie an. Er hatte die Ohren angelegt und auf seiner Schnauze hatte sich eine Furche gebildet.
»Hör auf«, sagte Sejer. »Lass sie in Ruhe. Die wohnen hier.«
Die Enten hinterließen im Wasser dünne Linien, als sie davon schwammen.
Sejer stand auf und sah die Hauptstraße hinauf. Bjerkås hatte an die fünftausend Einwohner, und früher hatte hier ein großer Molkereibetrieb seinen Sitz gehabt. Auf dem Weg zum Wasser war er an dem alten roten Steingebäude vorbeigekommen. Auf der anderen Seite der Bucht stand auf einem Hang ein großes weißes Gebäude. Es war ein altes Kloster, das wusste er. Zu dem Kloster gehörte eine kleine Kapelle. In der Kapelle wurden Konzerte und Lesungen veranstaltet. Er rief Frank zu sich und brachte ihn ins Auto. Dann ging er in den Supermarkt. Es duftete nach frischgebratenem Fleisch, und er folgte dem Geruch wie ein hungriger Hund. Ohne nachzudenken kaufte er sich zwei Frikadellen.
Mit dem Warmhaltebeutel in der Hand wanderte er durch den Supermarkt. An der Kasse schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Ein Gestell mit Postkarten. Es gab Karten mit Kätzchen und Welpen und Pferden, und es gab kleine Konvolute mit Danksagungskarten und Geburtstagskarten. Eine Karte erregte sofort seine Aufmerksamkeit. Er nahm sie aus dem Gestell und las, was auf der Rückseite stand.
»Norwegische Raubtiere. Luchs. Foto: Gøran Jansson.«
Nach dieser Entdeckung sah er sich noch einmal um. Er ist in diesem Supermarkt gewesen. Er wohnt hier draußen in Bjerkås. Oder vielleicht in Askeland. Er kauft in diesem Laden ein, das ist absolut denkbar. Er legte die Tüte mit den Frikadellen auf das Laufband. Nahm drei Zeitungen aus dem Ständer und nickte der Kassiererin zu.
»Gab es noch mehrere von diesen Postkarten?«, fragte er. »Mit anderen Motiven von Raubtieren?«
Sie sah den Luchs an und schüttelte den Kopf. Strich sich den schwarzweißen Pony aus der Stirn, und er sah ein kleines Piercing in Form eines Speeres in der einen Augenbraue.
»Keine Ahnung. Mit den Karten hab ich nichts zu tun«, sagte sie.
»Sie können sich also nicht an eine Karte mit einem Vielfraß erinnern?«, fragte er.
»Ein Vielfraß?«
Sie hatte offenbar keine Ahnung, was ein Vielfraß war, und wurde unsicher.
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