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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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und überzeugte sich zwischendurch, ob der alte Mann auch zuhörte. Das tat er. Zuerst gab es einen Bericht über einen Trabhengst, der bei einem Rennen durchgegangen war, und als die Umstehenden versucht hatten ihn einzufangen, hatte er einen Rennbahnangestellten in den Arm gebissen. Dann folgte ein langer Artikel über die schlechten Arbeitsbedingungen der Polen, und ein anderer, den er schnell übersprang, denn darin ging es um interne Missstände im Zentralkrankenhaus, was den Umgang mit den Verstorbenen anging. Oft mussten diese einen Monat lang im Kühlraum liegen, ehe sie eingeäschert wurden. Dann las er den Wetterbericht vor. Die Hitze sollte noch andauern, in ganz Ostnorwegen war die Gefahr von Waldbränden extrem angestiegen, dann zählte er auf, welche Fernsehsendungen am Abend ausgestrahlt werden würden, die der Alte vielleicht sehen wollte. Am Ende las er die Geschichte über das Baby im Kinderwagen. Beim Lesen schaute er verstohlen zum Großvater hinüber, aber er konnte nicht erkennen, was der alte Mann dachte.
    Johnny faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch.
    Eine Weile war es ganz still in dem kleinen Zimmer.
    »Du hast es auch nicht leicht im Leben!«, sagte Henry endlich. »Das wissen die Götter. Aber du weißt wenigstens wie man sich seinen Mitmenschen gegenüber verhält. Dieser Idiot, der das gemacht hat, hätte ordentlich Schläge verdient. Da sind wir doch einer Meinung, was Johnny?«
    »Klar, Opa«, antwortete Johnny brav. »Und um das deutlich zu machen, sollten wir ihm beide kleine Finger brechen.«
    »Ja, das sollten wir«, sagte Henry. »Wie läuft es bei dir zu Hause? Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen. Ich will nicht, dass du lügst, um mich zu schonen.«
    »Da ist nicht viel los. Sie liegt auf dem Sofa. Und trinkt Wodka. Brauchst du etwas? Ich kann gleich in den Supermarkt fahren.«
    »Ja, schreib dir alles auf«, sagte Henry. »Hol dir Papier und Bleistift. Die liegen drüben in der Küchenschublade.«
    »Papier brauch ich nicht, Opa. Ich nehm das Handy, weißt du, damit kann ich auch schreiben.«
    »Das verstehe wer will«, sagte der Alte und nickte ihm dankbar zu. Regungslos saß er im Sessel, während die Einkaufsliste ins Mobiltelefon eingegeben wurde.
    Das Mädchen mit dem roten Zopf saß noch immer auf der Felskuppe, als er vorüberbrauste.
    »Wackelheini!«, rief es ihm hinterher.
    Als er zurückkam, räumte er die Einkäufe in die Speisekammer. Die befand sich neben der Küche, dort bewahrte der Großvater alles Mögliche auf. Vieles davon war alt und abgelaufen, konnte Johnny sehen, die Marmeladengläser hatten alle eine Schimmelschicht. Er war eine Weile mit den Regalen beschäftigt, räumte auf und sortierte. Er entsorgte, was in den Abfall gehörte, wischte die Fächer mit einem feuchten Lappen aus. Danach sah alles so schön ordentlich aus. Eine rote Schachtel in der hintersten Ecke erregte seine Aufmerksamkeit. Er zog sie heraus, um sie sich genauer anzusehen, vielleicht war es ja ein neues Müsli, doch dann entdeckte er, dass sie Rattengift enthielt. Eine ganze Schachtel voll. Er nahm den Deckel ab und betrachtete die rosa Kügelchen. Sie sahen richtig appetitlich aus, obwohl sie tödlich waren, und dass sie tödlich waren, fand er faszinierend. Er hielt sich die Schachtel unter die Nase, sie rochen nach gar nichts, und wie sie schmeckten konnte er sich natürlich nicht vorstellen. Vielleicht wie süße Körner oder Bonbons. Dann las er aufmerksam die Liste der Inhaltsstoffe und die Gebrauchsanweisung.
    »Die Ratten schlafen friedlich ein, um nie wieder aufzuwachen«, stand auf der Schachtel.
    Sieh an, dachte Johnny Beskow.
    Nachdem er eine Weile in Gedanken versunken war, schlich er sich hinaus und versteckte die Schachtel unter dem Sitz der Suzuki. Das Rattengift könnte ihm in Zukunft noch nützlich werden, das gefiel ihm. Dann ging er zurück ins Haus. Der alte Mann war im Sessel eingeschlafen. Johnny setzte sich auf den Puff und wartete geduldig, bis er aufwachte. Das tat er zwanzig Minuten später.
    »Soll ich dir Kaffee für die Thermoskanne machen?«
    »Ja, bitte. Tu auch etwas Zucker hinein. Dreh den Deckel nicht wieder zu fest zu, du weißt doch, wie das ist.«
    Johnny ging in die Küche und machte sich an die Arbeit. Kochte Wasser, ließ es durch den Filter laufen, gab einige Löffel Zucker dazu. Dann nahm er einen Becher aus dem Schrank, den Becher, aus dem der Großvater immer trank, einen blauen mit zwei Henkeln, auf jeder Seite

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