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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sein gutes Recht.
    »Aber was ist denn das für eine Geschichte mit diesem Kind«, klagte er. »Können die Leute nicht ein Auto klauen oder eine Bank ausrauben? Das kann man ja wenigstens verstehen. Was ist mit den Eltern«, fuhr er fort. »Sind das starke Menschen oder werden die uns hier zu den unmöglichsten Zeiten die Tür einrennen?«
    »Der Vater ist stark und wütend und außer sich«, sagte Sejer. »Die Mutter ist ängstlich wie ein Reh.«
    »Es war bestimmt jemand, den sie kennen«, sagte Holthemann und schlug mit dem Stock auf den Boden. »Wir Menschen tun uns gegenseitig so viele Scheußlichkeiten an. Mobbing und anderes Elend. Terror und Achtlosigkeit. Vielleicht findet ihr in der Vergangenheit etwas. Etwas, das sie vergessen oder dessen Bedeutung sie nicht begriffen haben.«
    Er griff nach einem Stuhl und zog ihn scharrend über den Boden. Dann ließ er sich darauf fallen. Er hatte wirklich einen Sinn für Dramatik, der gute Abteilungsleiter. Er war hier absolut am richtigen Ort. Phantasie war immer willkommen. Und über dieses Kind im Kinderwagen würde man noch sehr lange reden können.
    »Hast du in dem Kühlschrank da was zu trinken?«, fragte er und zeigte mit dem Stock darauf.
    Sejer nahm eine Flasche Mineralwasser heraus. Skarre hatte für einen Moment das Büro verlassen, um eine Karte auszudrucken, die er an einer Tafel befestigte. Er machte darauf einige Markierungen mit einem Filzstift. Sie hatten sich das Haus der Sundelins schon angesehen und hatten sich allerlei Details eingeprägt. Bjerketun war eine Siedlung, die zu Beginn der neunziger Jahre angelegt worden war, mit geschmackvollen, gepflegten Häusern. Die meisten hatten Garten, eine doppelte Garage und eine geräumige Veranda vor dem Haus. Die Siedlung lag vier Kilometer vom Zentrum von Bjerkås entfernt und bestand aus sechzig Häusern, von denen einige, die direkt an den Wald grenzten, einen Anbau aufwiesen. Lily und Karsten Sundelin hatten nicht angebaut, sie hatten die offene Fläche hinter dem Haus behalten. Sie hatten sich vorgestellt, dass Margrete dort später spielen könnte. Vielleicht in einem Becken planschen oder auf einem Trampolin herumspringen. Auf einer Decke liegen und lesen. Hinter dem Haus der Sundelins erhob sich ein dichtes Wäldchen, und auf der anderen Seite des Wäldchens lag eine weitere, größere Siedlung namens Askelandsfeltet. Sie bestand aus vierundsiebzig Häusern. Askelandsfeltet war älter, die Häuser stammten aus den sechziger Jahren und erinnerten an riesige, heruntergekommene Legebatterien. Ein Drittel der Häuser vergab die Gemeinde an sozial Bedürftige, was den Verfall unvermeidlich beschleunigt hatte.
    Sejer vertiefte sich in die Karte. Er fuhr mit dem Finger die Straße von Bjerkås entlang, wo an die fünftausend Menschen wohnten, dann weiter nach Bjerketun und von Bjerketun nach Askeland.
    »Am wahrscheinlichsten wäre doch, wenn er von hier gekommen ist«, sagte er und zeigte auf Askelandsfeltet. »Er kann den Waldweg genommen haben. Und unter der Jacke hatte er einen Behälter mit Blut. Eine Flasche oder einen Beutel, keine Ahnung, was er sich ausgedacht oder wo er das her hatte. Vielleicht hat er hinter einem Baum gestanden und gewartet, bis der Mann mit dem Wagen nach Hause kam. Danach ist er durch den Wald zurückgelaufen. Das Labor wird das Blut bestimmt zuordnen können, man kann so was doch in Schlachthöfen kaufen, oder? Dann haben wir es vermutlich mit einem Erwachsenen zu tun, einem, der nachweisen kann, was er mit dem Blut vorhat. Lasst uns hoffen, dass er kein lebendes Wesen geopfert hat, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Einen Hund oder eine Katze. Oder was meinst du?«
    Skarre war in Gedanken versunken und studierte die Karte. Wer ihn gut kannte, wusste, dass sein Vater Pastor gewesen war, und dass Skarres Erziehung entsprechend verlaufen war. Gerecht, solide und überaus anspruchsvoll. Dennoch hatte er eine jungenhafte Verspieltheit behalten, die allen gefiel, vor allem den Frauen. Skarre war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, seines Wissens jedenfalls nicht. Aber er hatte Margrete Sundelin mit ihren runden Wangen aus nächster Nähe gesehen.
    Er hatte den Geruch von Milch und Seife wahrgenommen.
    »Das war genau geplant«, sagte er. »Er hat das Haus beobachtet, vielleicht über eine längere Zeit, und hat sich ihre Routinen eingeprägt. Er wusste, zu welchen Tageszeiten Margrete schläft, vielleicht sogar wie lange. Vielleicht hatte er sich hinter einem Baum

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