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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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führte das Kissen sein eigenes Leben.
    »Ist das nicht großartig?«, fragte Henry. »Mai hat das alles besorgt und ich habe nichts dafür bezahlt.«
    »Du hast ein Leben lang Steuern bezahlt«, sagte Johnny.
    Henry rutschte herum und drehte seinen alten gichtigen Leib hin und her, um die Eigenschaften des Kissens vorzuführen.
    »Ich habe gehört, dass Astronauten auf solchen Kissen sitzen, wenn sie in den Weltraum geschossen werden«, sagte er. »Da oben ist das Gel nützlich, denn es entsteht kein Druck auf die Knochen. Du weißt doch, diese Kraft, Johnny. Wie wird die noch genannt?«
    »g-Kraft«, antwortete Johnny.
    »Genau. Diese g-Kraft, die ist ja der pure Wahnsinn. Das Sozialamt bezahlt«, fügte er hinzu. »Das kostet mehrere tausend Kronen, kaum zu glauben, oder? Aber es war Mais Idee. Mai, meine gute Mai, meine kleine Thai«, lachte er. »Jetzt setz dich. Riechst du, dass ich nach Fichtennadeln dufte? He, Johnny?«
    Johnny setze sich auf den Puff. Der sank auch unter ihm zusammen und der Kunststoff knisterte, aber das ließ sich natürlich mit dem feinen Gelkissen nicht vergleichen.
    »Darf ich mal probieren?«, bat er.
    Henry wieherte zufrieden.
    »Ich hab mir schon gedacht, dass du das fragen würdest. Ja, klar kannst du probieren. Auch wenn du jung bist und ein Skelett wie aus Gummi hast. Ich muss nur erst aufstehen.«
    Mühsam lehnte er sich vor und schob sich hoch. Es ging nicht gerade schnell. Er klammerte sich an den Armlehnen fest, endlich kam er auf die Beine, krumm wie eine alte Hexe.
    »So. Und jetzt setz dich. Du Wildfang.«
    Johnny setzte sich in den Sessel. Zuerst merkte er gar nichts, dann dachte er, er sei vielleicht zu leicht. Aber als er gerade seine Enttäuschung zum Ausdruck bringen wollte, fing er an zu sinken. Gleichzeitig erwärmte sich das Gel und die Wärme füllte seinen ganzen Körper, und er hatte das Gefühl, von tausend warmen Händen festgehalten zu werden.
    »Wow«, sagte er begeistert.
    »Verstehst du jetzt, was ich meine?«, fragte Henry. »Ist das nicht der pure Luxus?«
    Johnny überließ den Sessel wieder seinem rechtmäßigen Besitzer. Danach setzte er sich auf den Puff.
    Und dann blieb sein Blick an etwas haften.
    Die Sonntagszeitung lag auf dem Tisch, denn die hatte Mai mitgebracht, und er konnte die Schlagzeile lesen:
    VON HUNDEN ZERRISSEN .
    Er las diese dramatischen Worte und sah das Foto eines kleinen Jungen mit blondem, struppigem Pony. Weiter unten im Artikel gab es eine kleinere Überschrift.
    Verdacht auf Sabotage.
    »Was ist denn da passiert?«, fragte er. »Ist er von Hunden angefallen worden?«
    Henry schaute zu der Zeitung.
    »Ja, es ist etwas Schreckliches geschehen«, sagte er. »In der Schneise, oben bei Saga. Mai hat mir den ganzen Artikel vorgelesen. Ein kleiner Junge war im Wald unterwegs, und dann kam ein Rudel Hunde.«
    Johnny las weiter. Und als er gelesen hatte, war sein Mund wie ausgetrocknet.
    »Die haben ihn einfach angefallen? So ganz ohne Grund?«
    »Hunde machen so etwas, wenn sie im Rudel unterwegs sind«, sagte Henry.
    »Aber wieso denn? Die Köter sind doch zahm? Die gehören doch jemandem?«
    Er las weiter. Seine Augen flogen über die Zeilen. Dort stand es schwarz auf weiß, dass der Junge von sieben Hunden angefallen worden war und an seinen Verletzungen, die sehr schwer gewesen waren, gestorben war. Er hatte keine Chance gehabt.
    Henry schüttelte den Kopf.
    »Unsere Menschenregeln gelten nicht mehr, wenn die abhauen«, sagte er. »Dann sind ihre Jagdinstinkte stärker. Sie werden ganz einfach wieder zu wilden Tieren. Auch Menschen können zu wilden Tieren werden, das kann ich dir sagen. In Extremsituationen. Dieser Hundebesitzer, wie hieß er doch noch gleich?«
    »Schillinger«, sagte Johnny.
    »Genau. Schillinger. Der redet von Sabotage. Der ist davon überzeugt, dass jemand aus Jux die Tür des Hundezwingers geöffnet hat. Nur um zu sehen, wie die Köter losjagen.«
    »Und wer sollte das gewesen sein?«
    Der Alte sah ihn an. Seine Augen wirkten überraschend scharf.
    »Und das fragst du noch? Rowdys gibt es genug, die sind doch überall mit ihren grotesken Einfällen. Den Typen, der die Leute anruft, haben sie ja auch noch nicht erwischt, und er macht das schon seit Wochen.«
    Johnny ließ die Zeitung sinken. Er konnte nicht mehr stillsitzen, er musste aufstehen und herumlaufen. Nach einigen Runden durch das Zimmer ließ er sich wieder auf den Puff fallen.
    »Die Hunde können die Tür ja nicht selbst aufmachen«, sagte Henry.

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