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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Unfall oder wären in einem Keller oder einer Höhle eingesperrt und niemand würde uns finden. Nur du und ich, Frank, in der Höhle ohne Essen und Wasser. Und wenn wir uns jetzt vorstellen, dass ich einen Herzinfarkt bekäme, und du allein neben meinem Leichnam säßest. Dann würdest du mich auffressen. Du würdest mir das Fleisch von den Knochen reißen, und die gute Zeit, die wir miteinander verbracht haben, hättest du vergessen. »Hörst du, was ich sage, Frank?«, fragte er, »Du würdest mich auffressen. Wenn dein Hunger groß genug wäre. Denn das ist deine Natur, und du musst deinem Überlebensinstinkt folgen. Das tun wir Menschen auch, das ist unser Schicksal und es ist unsere Stärke, dass wir uns an das Leben klammern. Aber das hat seinen Preis.« Er ließ sich wieder auf das Kissen sinken. Er fühlte sich schwer und müde. In diesem Augenblick klingelte sein Handy auf dem Nachttisch, Sejer erkannte die Nummer seines Abteilungsleiters Holthemann.
    »Ich weiß, dass es spät ist«, sagte dieser statt einer Begrüßung.
    »Ja«, sagte Sejer. »Es ist spät.«
    »Aber ich habe mir eine Sache überlegt«, sagte Holthemann. »Diese Köter. Von dem Schillinger. Sollten die nicht von unseren Leuten unschädlich gemacht werden? Ich meine, dass wir ihnen eine Kugel verpassen? Als Zeichen und aus Rücksicht auf das Ehepaar Bosch?«
    Sejer sah Frank an, der zusammengerollt auf dem Bettvorleger lag.
    »Es genügt doch, sie zum Tierarzt zu bringen«, sagte er. »Und es wäre eine große Belastung für den Kollegen, der die Sache übernehmen müsste. Wer sollte das auch sein? Jacob Skarre? Der ist religiös. Und es sind sieben Stück. Das wäre ja praktisch ein Massaker. Und ich habe selbst einen Hund«, fügte er hinzu. »Nein, ein Spaß ist das nicht. Es ist auch so schon schlimm genug.«
    »Bist du nicht ein bisschen sentimental?«, fragte Holthemann.
    »Doch«, sagte Sejer. »Das liegt an diesem Fall. Und ich werde auch nicht jünger.«
    »Was ist mit Schillinger«, fragte Holthemann. »Kann man dem glauben?«
    »Der ist in einer Ausnahmesituation«, sagte Sejer. »Natürlich kann man ihm nicht alles glauben.«
    »Was ist mit dem Zwinger? Ist der vorschriftsgemäß gesichert?«
    »Absolut. Und es ist vollkommen unmöglich für die Hunde, sich selbst zu befreien. Wenn die Tür richtig verschlossen war.«
    »Was ist mit den Hunden?«, fragte Holthemann. »Irgendjemand hat mir gesagt, dass sie in Norwegen verboten sind?«
    »Das wissen wir nicht so genau«, sagte Sejer. »Aber es ist jedenfalls eine ziemlich aggressive Rasse. Ich habe mich im Internet ein wenig schlaugemacht. Sie verfügen über enorme Kraft, haben ein sehr selbständiges Wesen und brauchen eine feste Hand und konsequente Führung. Dazu ist ihr Rudeltrieb extrem ausgeprägt und sie tragen andauernd Rangkämpfe aus. Außerdem machen sie sich über alles Essbare her, wo immer sie es auftreiben. Und sie betrachten alle Lebewesen als Nahrung. Und als ob das noch nicht genug wäre. Sie werden bis zu siebzig Zentimeter hoch. Und wiegen über fünfzig Kilo. Theo hatte keine Chance.«
    Holthemann schwieg lange am anderen Ende der Leitung.
    »Wie du meinst«, sagte er, als er die Sprache wieder fand. »Wir bringen sie zum Tierarzt. Es wird schlimm genug sein, die sieben Spritzen zu setzen.«
    Damit war das Gespräch beendet. Sejer ließ sich wieder ins Bett sinken, die bleischweren Gedanken kehrten zurück.
    Was das Leben für einige von uns so bereit hält.
    Wenn wir das vorher wüssten.
    D er nächste Tag, es war ein Sonntag, begann wie alle anderen Tage auch. Seine Mutter hantierte im Schlafzimmer. Vermutlich suchte sie etwas zum Anziehen, und würde sich aus den Haufen von schmutziger Wäsche ein paar Fetzen heraussuchen. Denn die Hyäne war kerngesund und kein bisschen vergiftet, sie war auf den Beinen und wirkte lebendiger denn je. Den Geräuschen nach zu urteilen, die durch die Wände drangen, herrschte dort drüben hoher Seegang, denn immer wieder stieß sie gegen Möbel und andere Gegenstände auf ihrer Wanderung durch das Zimmer. Sie war wie ein Wirbelwind und kannte keine Ordnung, sie hob etwas auf, ließ es an anderer Stelle wieder fallen und setzte dann ihre wilde Jagd fort. Überall lagen Sachen herum, über Bettpfosten und Stuhlrücken geworfen oder in Haufen auf dem Boden. Sie wusch nur selten. Aber sie war ja auch nie mit anderen Menschen verabredet. Sie ging nicht arbeiten, zeigte sich nie in der Öffentlichkeit. Wenn sie sich nicht

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