Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
nichts davon. Nur ein armseliger Grundschullehrer an der Eisenhower Elementary. Tut mir leid, dich zu enttäuschen.« Er zog die Beine in den Schneidersitz und sah aus wie ein Guru, nur ohne Turban.
»O ja, armselig passt. Keine Schuhe, keine Brieftasche ... Es gibt Obdachlose unter der Brücke, die besser dran sind als du.«
»Ja, aber die Obdachlosen haben keine Freundin mit drei leeren Schlafzimmern im Haus. Sonst würden sie ja nicht unter der Brücke schlafen.« Er grinste mich an, als hätte ich einen Witz gemacht.
Langsam dämmerte es mir. »Dachtest du etwa, du könntest heute Nacht hier schlafen?«
»Ja, na ja ... Wäre das für dich okay? Du hast doch gesagt, ich könne jederzeit vorbeikommen.«
Da war sie wieder. Meine offene Einladung, mich jederzeit zu besuchen. Gab es nicht irgendwelche Beschränkungen zu solcherlei unverbindlichem Dahergerede? Das konnte doch sicher nicht ewig gelten, sonst kämen ja heute noch Leute aus der Grundschule vorbei, um sich wie damals mit Milch und Pfadfinderkeksen versorgen zu lassen. »Ach, ich weiß nicht, Hubert. Ich bin eigentlich nicht auf Gäste eingestellt. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich vielleicht ...« Ich ließ den Satz in der Luft hängen, um Hubert Gelegenheit zu geben, Alternativpläne zu entwerfen ... mir zu sagen, ich könne ihn ja zu einem seiner Pokerkumpel bringen oder seinen Eltern. Es war nicht so, dass ich ihn nicht hier haben wollte; es war nur so, dass ich mich überrumpelt fühlte.
Es ist ein ungünstiger Charakterzug von mir, dass ich mich schnell überfordert fühle. Meine Eltern haben zwei Töchter: mich, die typisch ernsthafte ältere Tochter, die viel Zeit braucht, sich an etwas zu gewöhnen, und meine Schwester Mindy, die jederzeit in der Lage ist, eine Überraschungsparty zu schmeißen. Ich habe in der Vergangenheit oft versucht, gegen meinen Typ zu handeln, doch ohne Erfolg. Tatsache ist, dass mich Dinge aus der Fassung bringen, die andere ganz locker hinnehmen. Da ich das weiß, arrangiere ich mein Leben so, dass ich stressigen Situationen aus dem Weg gehe. Unerwarteten Besuch, selbst von guten Freunden, empfinde ich als Überfall. In meinem Kopf wirbelten all die Dinge durcheinander, die ich bei rechtzeitiger Vorankündigung getan hätte: Bettlaken wechseln, Lebensmittel einkaufen, die Badewanne schrubben ... »Außerdem ... meinst du nicht, dass Kelly sich inzwischen abreagiert hat? Wahrscheinlich macht sie sich schreckliche Sorgen, wo du steckst. Ich wette, wenn du sie jetzt anrufst ...«
»Das habe ich bereits getan«, sagte er und sah mich an. »Als du noch weg warst. Und sie hat nicht abgehoben. Ich kenne sie und wenn sie so ist, muss sie erstmal allein sein. Ich werde es morgen wieder versuchen.«
»Es ist auch deine Wohnung, in der sie allein sein will.«
»Ich weiß.« Er seufzte und sah sich um. »Ich weiß auch, wie sehr dich Überraschungen aus der Bahn werfen, Lola, und wenn ich dir früher hätte Bescheid geben können, hätte ich es getan. Aber um diese Uhrzeit kann ich nirgendwo anders mehr hingehen und du hast so viel Platz. Eine Nacht – das ist alles, worum ich dich bitte.« Er sah mich flehend an.
»Die Gästezimmer sind alle staubig. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand sie benutzen will.«
»Das ist doch egal, Lola. Ich kann auch auf der Couch schlafen, das macht mir nichts aus.«
Auf einmal schämte ich mich für mein Zögern. »Nein, nein, die Couch ist viel zu kurz für dich.« Für jemanden seiner Größe, eins fünfundachtzig, waren die meisten Sofas zu kurz. »Mach dir keine Sorgen. Ich kann ein Zimmer für dich fertig machen. Das ist schon okay.« Ich versuchte mich zu erinnern, wo Tante May die Bettlaken aufbewahrte. Wahrscheinlich neben den Handtüchern in dem großen Schrank oben im Flur. Ich war noch nicht dazu gekommen, ihn durchzusehen. Aber zur Sicherheit sollte ich das Bettzeug waschen, bevor ich es aufzog. »Gar kein Problem.«
»Super.« Sichtbar erleichtert lehnte er sich im Sessel zurück. »Das weiß ich wirklich zu schätzen, Lola. Es könnte sogar lustig werden. Du wirst schon sehen.«
»Lustig« klang im Moment etwas weit hergeholt, aber immerhin war alles möglich. »Sicher.«
»Oh, das wird toll. Wenn du willst, können wir gleich noch Scrabble spielen.« Jetzt gab er sich wirklich Mühe. Scrabble war mein Favorit – er hasste Brettspiele. »Und morgen könnten wir ins Kino gehen, wenn du Lust hast.«
»Oder Schuhe kaufen.«
»Oh, das
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