Eine Vampirin auf Abwegen: Argeneau Vampir 1
„Kann ich mir vorstellen.”
Lissianna lächelte, als sie ihre Mäntel holten und die Bar verließen. Thomas fuhr immer zu schnell, und sie wusste, dass Jeanne Louise recht hatte. Sie würden ganz bestimmt zu früh kommen und damit ihre Mutter verärgern. Aber das war ein Risiko, das sie eingehen musste.
Von Vater Joseph war nichts mehr zu sehen, als sie zu Thomas’ Jeep gingen. Er hatte entweder aufgegeben oder suchte woanders. Ihr nächster Gedanke galt Dwayne, und sie warf einen Blick zu den Abfallcontainern hinüber, als Thomas an ihnen vorbeifuhr.
Auch von ihm gab es keine Spur, er war ebenfalls verschwunden.
Sie war ein wenig überrascht, dass er sich so schnellerholt hatte, dann schob sie die ganze Sache beiseite. Er lag jedenfalls nicht bewusstlos mitten auf dem Parkplatz, also hatte er offensichtlich ein Taxi nach Hause genommen.
Der Verkehr war nicht so schlimm wie befürchtet. Es war inzwischen spät genug, dass das Schlimmste schon vorüber war, und sie erreichten das Haus ihrer Mutter am Rand von Toronto relativ schnell. Zu schnell.
„Wir sind eine halbe Stunde zu früh”, sagte Jeanne Louise auf dem Rücksitz, während Thomas den Jeep hinter Marguerites kleinem rotem Sportwagen parkte.
„Ja.” Er zuckte die Achseln. „Sie wird schon damit zurechtkommen.”
Jeanne Louise schnaubte. „Du meinst, sie wird damit zurechtkommen, nachdem du sie charmant angelächelt hast. Du konntest Tante Marguerite schon immer um den kleinen Finger wickeln.”
„Warum, glaubst du, war ich so gerne mit Thomas zusammen, als wir jünger waren?”, fragte Lissianna amüsiert.
„Oh, ich verstehe!” Thomas lachte, als sie ausstiegen. „Du magst mich nur, weil ich so gut mit deiner Mutter umgehen kann.”
„Na ja, du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass es mir um deine Nähe ging, oder?”, neckte Lissianna ihn, als er um das Auto herum an ihre Seite kam.
„Freches Ding.” Er zog sie am Haar.
„Ist das nicht das Auto deines Bruders Bastien?”, fragte Mirabeau, als sie hinter dem Beifahrersitz ausstieg und die Tür des Jeeps zuwarf.
Lissianna warf einen Blick auf den dunklen Mercedes und nickte. „Sieht so aus.”
„Ich frage mich, ob sonst noch jemand im Haus ist”, murmelte Jeanne Louise.
Lissianna zuckte die Achseln. „Ich sehe keine anderen Autos.
Aber Bastien könnte ein paar Firmenwagen losgeschickt haben, um Gäste abzuholen und herzubringen.”
„Selbst wenn er das getan hat, ist sicher noch niemand von ihnen hier”, sagte Mirabeau, als sie auf die Haustür zugingen. „Du weißt, dass es unmodern ist, pünktlich zu einer Party zu erscheinen. Nur altmodische Leute kommen pünktlich.”
„Dann sind wir jetzt aber ganz schön altmodisch”, stellte Lissianna fest.
„Nö. Wir sind Trendsetter”, verkündete Thomas, und sie kicherten alle.
Bastien öffnete die Haustür im selben Moment, als sie davorstanden. „Mir war so, als ob ich ein Auto gehört hätte.”
„Bastien, Dude!”, grüßte Thomas ihn laut, dann umarmte er ihn fest, was den Älteren überrascht erstarren ließ. „Wie läuft’s denn so, Dude?”
Lissianna biss sich auf die Lippen, um nicht laut lachen zu müssen, und warf Jeanne Louise und Mirabeau einen vielsagenden Blick zu. Dann wandte sie sich schnell wieder ab, als sie sah, dass auch ihre Freundinnen sich angesichts Thomas’ plötzlicher Leutseligkeit kaum beherrschen konnten. Er hatte sich in Sekundenbruchteilen von einem ganz normalen Mann in einen Spinner verwandelt.
„Ja.... nun.... Thomas. Hallo.” Es gelang Bastien, sich seinem überschäumenden jüngeren Vetter zu entziehen. Wie immer wirkte er verkrampft und nicht ganz sicher, wie er mit ihm umgehen sollte. Und genau das war der Grund, wieso Thomas sich so benahm. Er wusste, dass er für Lissiannas ältere Brüder die über vierhundert und sechshundert Jahre alt waren nicht mehr als ein Welpe war, und das ärgerte ihn maßlos. Mit über zweihundert Jahren immer noch als Kind betrachtet zu werden konnte schrecklich lästig sein, und daher benahm Thomas sich in Gegenwart Älterer auch oft wie eines. Er ergriff jede Gelegenheit, die Älteren sich unsicher fühlen zu lassen, und das wiederum nutzte er wie Lissianna annahm zu seinem Vorteil aus. Ihre Brüder unterschätzten ihn häufig.
Lissianna, die wegen ihrer relativen Jugend unter der gleichen Behandlung litt, konnte sich gut vorstellen, wie Thomas sich fühlte. Auch sie sah es nur zu gerne, wenn ihre älteren Brüder vor Unbehagen nicht
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