Eine Vampirin auf Abwegen: Argeneau Vampir 1
wusste nur nicht, wieso sich ein Mann dort drinnen befand. Oder vielmehr, warum er mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen auf ihrem Bett lag gefesselt an Kopf- und Fußende.
Lissianna dachte einen Moment nach. Ihre Mutter hätte doch sicher keinen Untermieter aufgenommen, und selbst wenn, hätte sie es sicher ihren Kindern erzählt. Sie hätte ihn auch nicht in Lissiannas altem Zimmer untergebracht, das ihre Tochter bei den seltenen Gelegenheiten, in denen sie hier übernachtete, immer noch benutzte. Außerdem wiesen die Fesseln eher darauf hin, dass er kein ganz freiwilliger Gast sein konnte.
Ebenso wie die Schleife um seinen Hals, dachte Lissianna, als sie sich an den fröhlichen roten Farbtupfer des Bandes erinnerte, das von seinem Kinn zusammengedrückt wurde, als er den Kopf anhob, um sie anzusehen.
Es war die Schleife, die schließlich bewirkte, dass sie sich beruhigte, denn ihr wurde klar, dass er wahrscheinlich die besondere Überraschung war, derentwegen ihre Mutter in die Stadt gefahren war. Das Süßmäulchen, von dem Jeanne Louise gesprochen hatte. Obwohl, dachte Lissianna, der Mann in ihrem Bett ausgesprochen gesund ausgesehen hatte. Aber man konnte da nie ganz sicher sein, bis man näher kam und die Süße roch, die ein unbehandelter Diabetiker ausströmte.
Der Mann in ihrem Zimmer war sozusagen eine Geburtstagstorte auf Beinen. Und er hatte tatsächlich köstlich ausgesehen, dachte sie, als sie sich an ihn erinnerte. Seine Augen waren durchdringend und intelligent gewesen, die Nase gerade, das Kinn stark.... und sein Körper war auch nicht übel gewesen. Er schien groß, schlank und muskulös zu sein, wie er dort auf dem Bett ausgestreckt gelegen hatte.
Nach ihrer Erfahrung mit Dwayne war Lissianna selbstverständlich klar, dass das Sakko, das er trug, ebenfalls gepolstert sein konnte. Sie hatte nicht nach Gurken Ausschau gehalten, aber der Mann war nicht sonderlich gebräunt gewesen, weder aus der Tube noch sonst wie, hatte aber auch nicht anämisch gewirkt, und ihre Mutter würde wahrscheinlich auch nicht den Fehler machen, den Lissianna zuvor begangen hatte. Marguerite hätte sich davon überzeugt, dass er genau das war, was sie wollte, bevor sie ihn ihrer Tochter schenkte. Und Jeanne Louise hatte wahrscheinlich recht, und er war ein unbehandelter Diabetiker. Alles andere wäre eher seltsam gewesen. Ihre Mutter würde kaum den ganzen Weg in die Stadt gefahren sein, nur um ein durchschnittliches gesundes Individuum zu finden, wenn sie auch einfach eine Pizza bestellen und Lissianna den Lieferanten überreichen konnte, wie sie es üblicherweise tat.
Also war er wohl tatsächlich etwas Süßes, schloss sie und bemerkte, wie ihr Hunger wieder an ihrem Magen zu nagen begann. Lissianna hätte nichts dagegen gehabt, ihr Geschenk schon einmal zu probieren. Nur ein Appetithäppchen, um sie über die Runden zu bringen, bevor ihre Mutter ihn ihr wirklich schenkte. Rasch wies sie den Gedanken jedoch wieder von sich.
Selbst Thomas würde ihre Mutter nicht wieder aus der schlechten Laune locken, wenn sie das tat. Also war es keine gute Idee, reinzugehen und ihn zu beißen, aber sie brauchte immer noch frische Strümpfe.
Lissianna wusste, dass es am besten sein würde, so wie sie war, in das Spielzimmer zurückzukehren, aber sie überlegte sich andererseits, dass es, da die Überraschung nun sowieso verdorben war, albern sein würde, den ganzen Abend mit Laufmaschen in den Strümpfen herumzulaufen. Sie war nun einmal hier, und es würde nur einen Moment dauern, sich ein frisches Paar von denen zu holen, die sie genau für einen solchen Notfall hiergelassen hatte.
2
Greg starrte auf die geschlossene Tür. Er konnte einfach nicht begreifen, dass jemand sie gerade geöffnet, kurz hereingeschaut offensichtlich verblüfft über seinen Anblick und sich dann entschuldigt und die Tür wieder zugemacht hatte, während er wie ein Idiot dagelegen hatte, zu erschrocken, um etwas zu sagen oder zu tun. Nicht, dass er eine große Chance hatte zu reagieren, aber immerhin....
Die Muskeln in seinem Hals fingen an wehzutun, denn es war anstrengend, den Kopf hochzuhalten, um die Tür im Auge zu behalten. Mit einem resignierten Seufzer ließ Greg seinen Kopf wieder auf das Kissen zurückfallen und begann leise vor sich hinzufluchen, wie dumm er doch gewesen war.
An diesem Abend war ihm deutlich vor Augen gehalten worden, was für ein vollkommener Idiot er war. Greg hatte sich zuvor nie für einen Idioten
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