Eine verlaessliche Frau
Leben.«
Er berührte den Saum ihres Kleides. In seinen Fingern und seinen Arm hoch brannte es wie Feuer. Er berührte ihren Schuh.
»Lass das sein.«
»Es bedeutet dir nichts? Rein gar nichts?«
»Es bedeutet mir nichts. Lass es sein.«
Er stand auf und ging weg, und seine Absätze hallten auf dem MarmorfuÃboden. Er wusste nicht, wohin er lief oder was er tun würde.
Das konnte sie doch nicht meinen. So leicht konnte sie ihre lange Vergangenheit doch nicht von ihrer Gegenwart abspalten. Sie konnte doch nicht verleugnen, was sie füreinander gewesen waren, all die Sachen, die sie miteinander gemacht, all die Pläne, die sie gemeinsam geschmiedet hatten.
Er saà in seinem Zimmer und trank Brandy. Wenn er schon den Tod seines Vaters nicht erreichen konnte, dann wollte er wenigstens sein altes Leben zurück. So einfach konnte sie den Freuden des lasterhaften Lebens nicht den Rücken zukehren. Er wollte sie. Der Gedanke kam ihm wie ein Schuss ins Gehirn, und danach wusste er gar nichts mehr. Alles war nur noch Dunkelheit danach.
Er eilte zurück durch den Flur und die lange Treppe hinunter. Er lief unter den venezianischen Kronleuchtern entlang durch die groÃe Halle in den Wintergarten. Sie saà immer noch da, aber sie wusste schon, dass er kam, sie musste es schon gewusst haben, weil sie ihr Nähzeug weggelegt hatte. Sie saà still und ruhig da, wartete auf ihn, ihre Augen waren riesig, die gemischten Gefühle, die sie empfand, standen ihr ins Gesicht geschrieben.
Er packte ihre Hände. Sie entzog sie ihm. Er packte ihre Arme und zog sie zu sich heran. Er presste sich mit der ganzen Länge seines Körpers an ihren Körper, presste seinen Mund auf ihren Mund, er legte die Arme um sie, lieà die Hände über ihre Schultern und unter den Stoff ihres Kleides gleiten. Sie zitterte.
Sie entzog sich ihm. »Antonio. Lass das sein. Ich flehe dich an.«
»Ich muss es einfach tun. Es tut mir leid. Ich muss es einfach tun.«
Er küsste sie noch einmal. Er strich ihr mit der Hand übers Gesicht, während er sie mit der anderen an sich zog. Er griff ihr unters Kleid, spürte ihre Haut, ihre warme, weiche Haut, in ihm brannte das Feuer, und er wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Sie wollte es doch auch. Sie musste sich doch wieder erinnern, und dann musste sie es auch wollen. Das sagte er sich immer und immer wieder.
Dann konnte er nichts mehr denken, verlor die Fähigkeit zu denken, und war nur noch Bewegung, während sein Mund und seine Hände sie wieder zu den Tagen und Nächten in seinem Zimmer in Saint Louis zurückbrachten, zu den Tagen, als sie noch jemand anders gewesen war, jemand, der für seinen Körper und dessen Freuden lebte, jemand, der sich hingab, weil es völlig egal war, wer oder was sie war. Damals hatte sie gelacht, damals hatte sie die gewöhnliche Welt mit ihren gewöhnlichen moralischen Skrupeln verachtet, und er war ein Teil davon gewesen. In ihrer Lust waren sie wie Zwillinge gewesen, mit den Atemzügen des anderen gestiegen und gefallen, er hatte ihren Körper mit Küssen bedeckt, und es gab keinen Teil von ihr, der nicht auch ihm gehörte.
Sie war die Freude und die Qual seiner Jugend gewesen, und dennoch war es gar nicht um sie gegangen, das wurde ihm plötzlich klar. Sie war nur das Tor zu seinem Gefühl der Losgelöstheit gewesen, dem Gefühl, hoch über der Erde haltlos im Raum zu schweben, und dieses Gefühl wollte er wiederhaben. Näher konnte er dem Tode nicht kommen.
Sie war anders. Sie war eine Fremde. Es war, als ob sie sich ihm in Verkleidung genähert hätte, als wären das Kleid, die Haare und das reine Gesicht ihres neuen Lebens ein Kostüm, das sie angelegt hatte, um ihn zu amüsieren.
Sie wehrte sich gegen ihn. Sie kämpfte, und das trieb ihn noch zusätzlich an, lieà ihn völlig haltlos werden. Er konnte sie haben, auch wenn sie ihn nicht wollte. Er hatte das schon früher getan. Selbst wenn sie wütend auf ihn gewesen war, hatte er sie trotzdem haben können. Wenn er zu frech, zu betrunken gewesen oder zu spät nach Hause gekommen war, war sie trotzdem, während er schlief, in sein Zimmer geschlichen, hatte sich neben ihn gelegt und sich von ihm nehmen lassen, weil sie nirgendwo sonst hinkonnte, weil sie glaubte, dass ihr Leben in der Gosse war und er die Gosse war, in der sie lebte.
Er zerrte an seinem Hemd, und ihre
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