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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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ich hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, eine Ehefrau zu werden. Ich weiß, dass Sie mir nicht Liebe anbieten, und ich suche sie auch gar nicht, sondern einfach ein Zuhause, und ich werde nehmen, was Sie mir anbieten, weil das alles ist, was ich möchte. Damit möchte ich gar nicht behaupten, dass das wenig wäre. Ich meine im Gegenteil, dass darin alle Freundlichkeit und Güte liegt, die man sich nur wünschen kann. Es ist alles im Vergleich zu der Welt, wie ich sie erlebt habe, und wenn Sie mich haben wollen, werde ich kommen.«
    Diesem Brief hatte sie eine Photographie von sich beigelegt, und er konnte mit seinem Daumen die abgegriffene Ecke fühlen. Sein Daumen streichelte ihr Gesicht. Er sah ihre Züge vor sich, die weder hübsch noch elegant waren. Ihre großen, klaren Augen starrten ohne Arglist in das Blitzlicht des Photographen. Sie trug ein schlichtes Kleid mit einem einfachen Baumwollkragen, eine gewöhnliche Frau, die so dringend einen Mann brauchte, dass sie einen gänzlich Fremden heiratete, der zwanzig Jahre älter war als sie.
    Er hatte ihr im Gegenzug kein Photo von sich geschickt, und sie hatte auch nicht um eines gebeten. Stattdessen hatte er ihr eine Fahrkarte an das Christliche Wohnheim geschickt, in dem sie mitten im schmutzigen, brodelnden Chicago wohnte, und nun stand er da, ein reicher Mann in einer winzigen Stadt in Wisconsin, im strengen Frost, am Winteranfang des Jahres 1907. Ralph Truitt wartete auf den Zug, der ihm Catherine Land bringen sollte.
    Ralph Truitt hatte schon lange darauf gewartet. Er konnte auch noch etwas länger warten.

2. KAPITEL
    â€¢ • •
    C atherine Land saß vorm Spiegel und entledigte sich allem, was sie geworden war. Die Jahre hatten sie gnadenlos verhärten lassen.
    Ich bin die Art von Frau, die immer wissen will, wie etwas ausgeht, dachte sie und starrte auf ihr Gesicht im schwankenden Spiegel. Ich möchte schon, bevor etwas überhaupt begonnen hat, wissen, wie es enden wird.
    Catherine Land mochte die Anfänge. Die reine weiße Möglichkeit des leeren Zimmers, des ersten Kusses, des ersten Diebstahlversuchs. Und die Enden, die Enden mochte sie auch. Das Drama des zerschlagenen Glases, des toten Vogels, des tränenreichen Abschieds, der letzten, scheußlichen Worte, die man nie mehr zurücknehmen, nie mehr vergessen konnte.
    Es war das Dazwischen, das ihr zu denken gab. Dies hier, obwohl es ja vorwärtsging, dies hier war so ein Dazwischen. Die Anfänge waren süß, das Ende gewöhnlich bitter, aber das Dazwischen war nur das Seil, über das man balancieren musste, um von dem einen zum anderen zu gelangen. Nicht mehr als das.
    Vor ihrem Fenster flog die Landschaft vorüber, rauschte eben und flach und verschneit vorbei. Der Zug ruckelte gerade so stark, dass ihre Ohrringe, obwohl sie den Kopf ganz still hielt, hin und her schwangen und im Licht funkelten.
    Er hatte einen privaten Waggon mit einem Salon und einem Schlafzimmer und elektrischem Licht geschickt. Bislang hatte sie keinen einzigen anderen Fahrgast erblickt, obwohl sie wusste, dass in dem Zug auch andere Leute sein mussten. Sie stellte sie sich vor, wie sie gelassen auf ihren Plätzen saßen, blasse Winterhaut auf grauem Rosshaar, während in ihrem Waggon alles roter Samt und Girlanden und Faltensäume war. Wie ein Bordell, dachte sie. Wie ein Bordell auf Rädern.
    Sie waren nach Einbruch der Dunkelheit abgefahren und krochen nun durch die Nacht, hielten oft an, weil die Gleise von Schneewehen befreit werden mussten. Der Schaffner hatte ihr ein schweres und schimmerndes Essen gebracht – Roastbeefscheiben und Garnelen auf Eis, kleine Kuchenstückchen mit Glasur –, das sie an einem Klapptisch gegessen hatte. Wein wurde ihr nicht angeboten, und sie verlangte auch nicht danach. Das Silberbesteck aus dem Hotel fühlte sich in ihrer Hand glatt und schwer an, und sie verzehrte alles, was ihr vorgesetzt wurde.
    Am Morgen gab es dampfende Eier, Schinken und Brötchen und heißen schwarzen Kaffee, an dem man sich die Zunge verbrannte, und alles wurde ihr von einem stillen schwarzen Schaffner serviert, als würde er einen eleganten Zaubertrick ausführen. Sie aß alles auf. Es gab sonst nichts zu tun, und das Ruckeln des Zuges war sowohl hypnotisierend als auch erregend und steigerte ihren Appetit, während jede vorbeirauschende Sekunde sie der Verwirklichung ihrer lang gehegten und komplizierten

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