Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
Knoll Magazine . Ideal ist das nicht, und vor Gericht wird es auch nicht standhalten, aber es ist besser als nichts.«
»Unsere Zeugin ist vier. Ihre Aussage wird vor Gericht sowieso nicht standhalten, aber wir brauchen etwas, womit wir weitermachen können. Meinetwegen können wir es probieren.« Dixon blickte zu Vince. »Ist Anne damit einverstanden?«
»Ja. Ich habe sie schon vorgewarnt. Aber wir sollten uns ein bisschen beeilen, wenn wir das heute noch über die Bühne bringen wollen.« Er hob den Arm und tippte auf seine Uhr. »Vierjährige müssen früh ins Bett.«
69
»Es gefällt mir nicht, dass wir das so spät machen«, sagte Anne. »Das Zubettgehen ist sowieso heikel. Wegen ihrer Alpträume will sie nicht schlafen.«
»Es bleibt uns leider nichts anderes übrig«, sagte Vince. »Da draußen läuft ein Mörder frei rum, der mehr als nervös werden wird, wenn er erfährt, dass Gina Kemmer noch am Leben ist. Es geht um jede Stunde.«
Anne seufzte. »Ich weiß.«
Sie stand an der Tür zu Haleys Zimmer und betrachtete das Mädchen, das in seinem rosa Schlafanzug auf dem Bett saß und zufrieden mit Honey-Bunny und dem neuen Stofftier spielte, das Milo Bordain ihr geschenkt hatte.
Gleich nach dem Abendessen hatte Sara ihre Tochter Wendy abgeholt, und Anne hatte begonnen, mit Haley das Abendritual zu vollziehen oder vielmehr das, was sie dazu machen wollte: Baden, Bett, Vorlesen, Schlafen. Dieses Ritual sollte Haley ein Gefühl von Stabilität geben und verhindern, dass sie die Unruhe des Tages mit ins Bett nahm.
Anne hatte im Laufe des letzten Jahres den Wert eines solchen Rituals zu schätzen gelernt. Jetzt halfen ihr ihre eigenen schlimmen Erfahrungen im Umgang mit Haley. Heute Abend aber würde sie dieses Ritual schon wieder aufgeben, um womöglich die schlimmsten Erinnerungen wachzurufen, die ein Kind haben konnte: die an ein Ungeheuer.
Vince, der genau zu wissen schien, was sie dachte, legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wir zeigen ihr die Fotos gemeinsam«, sagte er. »Du und ich. Okay?«
»Okay«, sagte Anne. »Komm, bringen wir es hinter uns.«
Vince drehte sich zu Mendez um, der noch in der Tür stand. »Daumen halten.«
Mendez setzte sich auf eine Bank im Flur, um zu warten.
Vince schob Anne in Haleys Zimmer. Er spürte ihre Aufregung und ihre Sorge. »Haley? Wir wollen noch ein kleines Spiel spielen, Schätzchen«, sagte sie und fühlte sich wie ein Wolf im Schafspelz.
Haley sah sie mit großen, unschuldigen Augen an. »Was für ein Spiel?«
»Wir werden uns ein paar Fotos ansehen«, sagte Vince und setzte sich auf die Bettkante. »Ich lege sie aufs Bett, und du siehst sie dir an und sagst uns, ob du einen der Männer auf den Fotos erkennst.«
Haley kniete sich hin, lehnte sich an Anne und lutschte an ihrem Zeigefinger, während Vince die Fotos vor ihr ausbreitete.
Aufmerksam beobachtete Anne sie und achtete auf jede noch so leichte Reaktion in ihrem Gesicht, die auf ein Wiedererkennen hindeuten könnte.
Haley streckte den Finger aus. Anne hielt den Atem an.
»Das ist Zander«, sagte Haley und deutete auf den Mathematiker mit den großen Augen und dem Schopf grauer Haare. Sie sah Vince an und zog die Nase kraus. »Der ist komisch.«
»Er sieht irgendwie lustig auf dem Foto aus, was?«, sagte Vince. »Kennst du sonst noch jemanden?«
Haley musterte die Fotos, eines nach dem anderen. Mit Ausnahme von Steve Morgan kannte Anne die Männer nur aus den Erzählungen von Vince. Der Leiter des Fachbereichs Musik am McAster. Ein Architekt. Steve Morgans Partner aus der Kanzlei. Darren Bordain auf einem Foto aus einer Zeitschrift – ein Schnappschuss von ihm und seiner Mutter, auf dem sie sich für eine Wohltätigkeitsveranstaltung in Schale geworfen hatten. Er war seiner Mutter wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.
Steve Morgan. Gutaussehend, im Golfdress, ein breites Lächeln mit blitzenden Zähnen. Anne ertrug es kaum, ihn so fröhlich zu sehen, nachdem er Sara und Wendy ins Unglück trieb. Da war er nun, in dieser Reihe von Fotos, ein Mann, der seine Frau betrog und vielleicht sogar einen Mord begangen hatte.
Haley betrachtete sie eingehend. Anne hielt den Atem an. Vince hielt den Atem an. Beide ließen sie das Gesicht des Mädchens keine Sekunde aus den Augen.
Schließlich sah Haley auf und lächelte sie breit an. »Das sind alles meine Daddys!«
Sie deutete nacheinander auf jedes Gesicht.
»Daddy Mark und Daddy Don und Daddy Bob und Daddy Steve und Daddy Milo und Daddy
Weitere Kostenlose Bücher