DIE ZEIT City Guide Lissabon
Die Restaurant-Tipps der Redaktion
Rohe Makrele, umgekehrte Martinis und dazu der Blick auf den Tejo. Diese drei Lokale empfiehlt unser Restauranttester Michael Allmaier in Lissabon.
VON MICHAEL ALLMAIER
Ibo. Das kleine Lokal mit Tischen im Freien liegt gut versteckt hinter einem Bürogebäude des Cais do Sodré. Zu essen gibt es gutes Seafood und Spezialitäten aus der ehemaligen Kolonie Mosambik. Man sitzt gleich am Wasser, teilt sich den pikanten Taschenkrebssalat mit Mango und nippt am Vinho Verde. Die Möwen schreien, die Ausflugsschiffe verschwinden am Horizont – man fragt sich, warum jemand woanders sein möchte als hier.
Armazém A – Compartimento 2, Cais do Sodré, Tel. 00351-21/3423611, Di–Do 12.30–15.30 Uhr und 19.30–23 Uhr, Fr und Sa 12.30–15.30 Uhr und 19.30–1 Uhr, So 12.30–15.30 Uhr,
www.ibo-restaurante.pt
. Hauptgericht um 20 €
Belcanto. Das neue Restaurant von José Avillez, dem jungen Wilden unter Lissabons Spitzenköchen. Die eichenholzgetäfelten Wände des intimen Raums im Viertel Chiado täuschen Gediegenheit vor. Doch die wird von den Speisen angenehm konterkariert. Schon die geräucherte Butter zum Brot verblüfft, und so geht es weiter. Mal ein »umgekehrter Martini«: farblose Olivenbrühe mit sphärischem Wodka. Mal erstklassige rohe Makrele ohne jede Spielerei. Die meisten Gerichte sind bei aller Verfremdung sehr portugiesisch. Faire Preise, toller Service.
Largo de São Carlos, 10, Tel. 00351-21/3420607, Di–Sa 12.30–15 Uhr und 19.30–23 Uhr,
www.belcanto.pt
. Abendmenü ab ca. 50 €
Feitoria. Das Hotelrestaurant in Bélem trägt einen Michelin-Stern und wird ihm gerecht. Die Küche verarbeitet beste heimische Produkte zu unnachkochbaren Kreationen im Stil der Haute Cuisine. Da werden Garnelen zu Kugeln geformt, mit Pilzen gefüllt und neben Lotoswurzeln als Dashi-Einlage serviert. Das Richtige für Menschen, die sich gern ins Essen vertiefen. Die Einrichtung des großen Saals mit Tejoblick ist avantgardistisch, aber nicht steif (mit den besten Plätzen im Raucherbereich). Hervorragende portugiesische Weine, auch im offenen Ausschank.
Im Altis-Hotel in Bélem, Doca do Bom Sucesso, Tel. 00351-21/ 0400200, Di–Sa 12.30–15 Uhr und 19.30–23 Uhr,
www.restaurantefeitoria.com
Die Kunst, im Trocknen zu fischen
Junge Lissabonner Köche mischen die Traditionsküche auf. Da schmeckt sogar der Klippfisch.
VON MICHAEL ALLMAIER
Plattfisch ist eine feine Sache. Da denkt man an Seezunge oder Steinbutt, begehrte Spezialitäten. Portugiesen denken an
bacalhau.
Der ist auch platt, aber nicht von Natur aus. Und fein würden selbst seine Verehrer ihn nicht nennen. Trotzdem hat er in vielen Lissabonner Delikatessengeschäften einen Ehrenplatz über der Theke. Da hängt er dann, armlang, brettflach und ebenso hart, Touristen ein ewiges Rätsel: Da haben die Menschen den Atlantik vor Augen; warum importieren sie schnöden Kabeljau aus der Nordsee? Warum lassen sie ihn sich einsalzen und trocknen, als gäbe es nicht schon lange sanftere Arten der Konservierung?
Tradition, das ist eine Antwort. Klippfisch, wie er auf Deutsch heißt, diente von alters her den Schiffern als Proviant. Und an ihre Zeit als Seemacht erinnern die Portugiesen sich auch beim Essen gern. Eine handfestere Erklärung kommt von Henrique Mouro, einem der besten Köche von Lissabon: »Ehrlich gesagt, ist frischer Kabeljau mir einfach zu lasch.« So wie in der Stadt gekocht wird, kann man das nachempfinden. Die Lissabonner mögen es herzhaft. Ein typisches Mahl beginnt mit
chourico,
einer groben Paprikawurst, und es endet mit Pudding oder Gebäck – wenn man überhaupt so weit kommt nach dem Bohneneintopf, der Reispfanne oder Brotsauce, die hier oft als Grundlage für ein Hauptgericht dienen. Nach ein paar Tagen dieser Kost beschleicht den Gast der Verdacht, die Stadtväter von Lissabon hätten die vielen Treppen nur zum Abtrainieren der Kalorien erbaut.
Eine solche Küche braucht kräftige Produkte, solche wie
bacalhau.
Ihn muss man nicht würzen, im Gegenteil; er selbst ist das Gewürz. Erst langes Einweichen macht ihn für mitteleuropäische Gaumen und Zähne überhaupt wieder genießbar. »Das ist das Portugiesische am
bacalhau«,
sagt Mouro. »Er mag aus Norwegen stammen. Aber seinen Geschmack verdankt er zwei Dingen, die unsere Küche ausmachen: der Sonne und dem Salz.«
Der Mann, der hier von Traditionen spricht, ist erst 36 Jahre alt. Und bei aller Liebe zum Angestammten kocht er kein
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