Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
lüge.«
»Besser als nichts«, sagte Vince. »Sie ist eben hypergenau. Dafür ist sie auch gut.«
Die drei Männer – Hicks, Mendez und Vince – betraten Gina Kemmers kleines Haus, ausstaffiert mit Handschuhen und Überschuhen aus Papier. Nur für alle Fälle. Alles schien so zu sein, wie es sein sollte. Kein Anzeichen für gewaltsames Eindringen oder dafür, dass im Haus ein Kampf stattgefunden hatte.
Jemand hatte im Wohnzimmer den zerbrochenen Blumentopf aufgehoben und das Erbrochene aufgewischt. Die Fotos, die auf dem Couchtisch gelegen hatten, waren weggeräumt worden.
Vince hätte gern noch einen Blick darauf geworfen. Er hätte sie gern an die Wand gepinnt und einfach nur betrachtet, darauf gewartet, dass ihm das eine entscheidende Detail ins Auge stach. Er hätte sich gern die beiden Frauen angesehen – ihre Mimik, ihre Körpersprache, ihr Verhältnis zueinander. Er hätte auf einem dieser Schnappschüsse gern ein Datum gefunden, das vor 1982 lag.
Er öffnete die Schublade des Tisches. Keine Fotos. Er sah im Zeitungsständer nach, in einem kleinen Bücherregal. Nichts.
Auf seiner Wanderung durch das Haus hatte Vince erneut das Gefühl, dass Gina Kemmer hier fest verwurzelt gewesen war. Es erweckte nicht den Eindruck, dass sie diese Wurzeln mir nichts, dir nichts ausreißen und einfach verschwinden würde.
Das Haus war picobello sauber und aufgeräumt, ohne deswegen steril zu wirken. Über der Sofalehne lag eine gehäkelte Decke, an einem alten Garderobenständer in der Nähe der Eingangstür hingen zwei Jacken. An den Wänden hingen mehrere kleine Bilder von Marissa und dazwischen verteilt Fotos, vermutlich von Verwandten und Freunden.
»Macht nicht den Eindruck, als hätte sie irgendetwas eingepackt«, sagte Mendez und steckte den Kopf in den Schrank im Schlafzimmer.
Auch das Schlafzimmer war ordentlich aufgeräumt. Altrosa und Graublau. Sehr mädchenhaft. Spitze und Trockenblumensträuße. Auf dem Nachttisch lagen neben einer Lampe mit Rüschenschirm einige zerlesene Liebesromane. Gina Kemmer glaubte offenbar immer noch an Märchen.
Vince ging in die Küche. Die Arbeitsplatten waren mit Dosen und Kochbüchern vollgestellt. Im Kühlschrank befanden sich sechs Flaschen Bartles & Jaymes, ein verwelkter Salat, etwas Käse und verschiedene Würzsaucen.
An der Kühlschranktür waren mit Magneten Fotos und Notizen und eine Zeichnung von Haley befestigt.
»Wer ist das?«, fragte er und deutete auf einen Schnappschuss von Gina und Marissa mit zwei gutaussehenden Männern auf einer Strandparty. Die jungen Frauen trugen Bikinioberteile und Baströcke. Die Männer weite Shorts, Hawaiihemden und Ray-Ban-Sonnenbrillen. Alle vier lachten und schienen sich prächtig zu amüsieren.
Hicks schloss eine Schranktür und kam herüber, um einen Blick darauf zu werfen.
»Der Größere neben Marissa ist Mark Foster, Leiter des Fachbereichs Musik am McAster. Er und Marissa sind hin und wieder miteinander ausgegangen. Der neben Gina ist Darren Bordain.«
»Habt ihr schon mit den beiden gesprochen?«
Mendez nickte. »Don Quinn zufolge ist Foster schwul. Foster streitet das ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es, so oder so, irgendjemanden interessiert.«
»Die Leute sind eigen, was ihre kleinen Geheimnisse betrifft«, sagte Vince. »Es spielt keine Rolle, ob es jemanden interessiert oder nicht. Sie möchten sie am liebsten mit ins Grab nehmen.«
»Er ist derjenige, der Steve Morgan mit Marissa Fordham in diesem Restaurant in Los Olivos gesehen hat«, sagte Hicks.
»Und was sagt Morgan dazu?«
»›Na und?‹«, antwortete Mendez mit finsterem Blick.
»Was ist mit Bordain?«
»Der blonde Sprössling von Milo und Bruce Bordain«, sagte Hicks. »Wie es scheint, einer der wenigen Männer in der Stadt, die nicht mit Marissa ausgegangen sind. Sie waren lose befreundet.«
»Was hat seine Mutter davon gehalten?«, fragte Vince.
»Er sagte, er hätte vielleicht ein Techtelmechtel mit Marissa anfangen sollen, nur damit die Alte ausflippt.«
»Marissa war ihr Hobby, ihr Spielzeug«, sagte Vince und dachte an Milo Bordains Umgang mit Haley. Besitzergreifend. Fordernd.
»Stimmt«, sagte Hicks. »Gut genug, um sich gelegentlich mit ihr sehen zu lassen, aber nie zu Thanksgiving eingeladen, meinte er.«
»Hm …«
»Er hat außerdem gesagt, eine Künstlerin und alleinerziehende Mutter wäre nicht gut für seine politische Karriere.«
»Da ist der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen, was?«, sagte Vince. »Was ist
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