Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
er aus. Sara Morgan.
»Hast du sie gefragt, seit wann sie mit Marissa Fordham befreundet war?«, fragte Vince.
Blick auf den Boden.
»Nein. Sie stand sowieso schon kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen.«
»Ah, wie ritterlich von dir.«
»Was denn? Hätte ich sie unter Druck setzen sollen?«
Wut.
»Es hätte keinen Sinn gehabt«, sagte Mendez. »Sie ist nicht dazu imstande, jemanden umzubringen. Außerdem wird sie sich von ihrem Mann scheiden lassen. Sie hat seine Untreue satt.«
Verleugnung. Rationalisierung.
Vince nickte.
Zusammengezogene Augenbrauen. »Sieh mich nicht so an.«
»Wie sehe ich dich denn an?«
»Du gemeiner Hund«, schimpfte Mendez. »Du sitzt hier und analysierst mich.«
»Das käme mir nie in den Sinn«, erklärte Vince belustigt. »Aber es ist so einfach.«
»Jetzt sag’s schon.«
»Was?«
»Du genießt es.«
»Oh ja«, sagte Vince grinsend.
»Dann fühle ich mich eben zu ihr hingezogen«, sagte Mendez. »Na und? Welcher Mann täte das nicht? Sie sieht umwerfend aus, und sie ist talentiert und …«
»Und sie braucht einen Beschützer.«
»Ich habe mich absolut professionell verhalten. Es ist nichts passiert, was nicht passieren durfte.«
»Selbstverständlich nicht.«
»Ehrlich!«
»Das weiß ich, Tony«, sagte Vince, jetzt wieder ernst. »Du bist ein ehrenwerter Mann. Und es ist sicherlich nichts falsch daran, für eine Frau einzustehen. Ich will nur nicht, dass du eine Grenze überschreitest.«
»Ach so, du meinst, wie du es getan hast«, erwiderte Mendez sarkastisch.
»Anne war keine Verdächtige …«
»Sara könnte niemals …«
Vince hob eine Hand und unterbrach ihn. »Hör mir zu. Anne war keine Zeugin, und sie war keine Verdächtige. Als wir uns kennenlernten, war sie nur am Rande in den Fall involviert. Das änderte sich erst später, als sie zum Opfer wurde. Jetzt versuchen Cranes Anwälte, den Ausschluss eines Beweismittels zu erwirken, indem sie behaupten, ich hätte es untergeschoben, weil Anne und ich eine Beziehung hatten.«
»Schwachsinn!«, sagte Mendez.
»Ja, aber sie tun es trotzdem. Sie wollen, dass die Tube Sekundenkleber nicht zugelassen wird. Gott sei Dank spielt das Ding keine so große Rolle. Aber wenn sie damit durchkommen, haben wir kaum eine Chance, dass es später wieder zugelassen wird, falls Crane in einem der Mordfälle vor Gericht gestellt wird …«
»Scheiße.«
»Aber zurück zu dir, Junior«, sagte Vince. »Versteh mich nicht falsch. Ich mag Sara, Anne mag Sara. Aber falls Steve Morgan eine Affäre mit Marissa Fordham hatte, dann hatte Sara ein Motiv, und sie kann nicht als Unbeteiligte betrachtet werden. Du darfst dich nicht mit Sara einlassen.«
»Das würde ich nie tun.« Mendez verzog die bewegliche Seite seines Munds. »Sie ist eine verheiratete Frau.«
»Nur noch auf dem Papier«, sagte Vince. »Für mich klingt das so, als ob sie innerlich praktisch schon geschieden ist. Sie ist verletzt und verängstigt und hilfsbedürftig. Du hast ihr eine Schulter zum Ausweinen geboten. Erzähl mir nicht, dass du letzte Nacht nicht kurz davor warst, sie zu küssen.«
Blick auf den Boden.
»Du begibst dich auf dünnes Eis, mein Junge. Halt dich zurück, bis der Fall geklärt ist. Dann kannst du dein Glück versuchen – falls sie dieses Arschloch tatsächlich verlässt. Verliebe dich. Heirate. Annes und meine Kinder brauchen Spielkameraden.«
»Sehr witzig«, sagte Mendez. »Wie läuft es eigentlich mit Anne und der Kleinen?«
»Ich bringe die beiden heute Vormittag nach Hause, bevor die Reporter aus ihren Löchern gekrochen kommen«, sagte Vince.
Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Zum einen bereitete ihm Sorge, dass Haley – und damit Anne – eine Zielscheibe sein könnte, und zum anderen, was für eine starke Bindung Anne zu dem Kind entwickelte. Was war, wenn sich irgendein Angehöriger fand und sie Haley hergeben musste? Für Annes Gefühlshaushalt wäre das sicher nicht förderlich. So gut es ihr tun mochte, dem kleinen Mädchen in dieser schweren Zeit beizustehen, irgendwann würde Schluss damit sein, und das würde sehr schwer für sie werden.
»Du musstest sie das tun lassen, Vince«, sagte Mendez.
Vince runzelte die Stirn. »Wer liest jetzt wessen Gedanken?«
»Du bist ein guter Lehrer, alter Mann. Hat die Kleine irgendwas gesagt?«
»Nein, aber die Erinnerung steckt irgendwo in ihr. Gestern Abend hat sie ein Bild mit einer gruselig aussehenden Gestalt gemalt. Sie hat sie
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